Kommissar Morry - Die Woelfe
Knast.“
„Na, na“, meinte Lewis Farrant spöttisch. „Nimm nur den Mund nicht zu voll. Ich an deiner Stelle würde auf dem Teppich bleiben.“
Sandy Harley hatte sich bisher mit keinem Wort an dem hitzigen Gespräch beteiligt. Er hatte schon den ganzen Abend über Bauchweh geklagt. Seine Blicke gingen ständig zwischen der Tür und der großen Kastenuhr hin und her. Dabei stöhnte er in einem fort. „Eh, seht mal, wer da kommt“, rief er plötzlich.
Die Lords hoben die Köpfe. Ihre Gesichter blieben seltsam starr und unbeweglich. Stumm blickten sie Daisy Horway entgegen, die mit koketten Schritten an ihren Tisch herangetänzelt kam. Keiner sagte ein Wort zur Begrüßung. Niemand lud sie zum Bleiben ein.
„Nanu?“, wunderte sich das Mädchen. „Was ist denn los mit euch? Haben sie euch etwas ins Bier getan?“
In diesem Augenblick sah sie die Karte auf dem Tisch liegen. Sie nahm sie an sich und las die wenigen Worte. Verständnisvoll blinzelte sie dann mit den Augen.
„Dieser Kommissar scheint den ganzen Tag unterwegs zu sein“, meinte sie vorwitzig. „Heute Vormittag war er erst bei mir . . .“
Die Lords hoben wie auf ein geheimes Kommando die Blicke. Mißtrauisch und feindselig stierten sie das Mädchen an.
„Dann hast du wohl gesungen, eh?“, fragte Fred Hiltopp lauernd.
„Seht sie an, Boys! Jetzt wissen wir, wem wir die ganze Bescherung zu verdanken haben.“
„Nichts wißt ihr“, fauchte Daisy Horway gereizt. „Ihr seid ganz erbärmliche Dummköpfe. Sonst müßtet ihr wissen, daß dieser Kommissar keine Silbe von mir erfuhr. Ich habe euch noch nie verraten. Auch damals nicht, als ich für euch ein Jahr ins Gefängnis ging.“
„Na, ist schon gut“, brummte Fred Hiltopp. „Nimm's nicht zu ernst. Wir sind eben nervös. Mit der Zeit wird schon alles wieder ins richtige Gleis kommen.“
Er gab seinen Freunden einen heimlichen Wink. „Es ist zehn Uhr“, murmelte er hastig. „Wir müssen aufbrechen. Judd Bramas wartet sicher schon.“ Sie erhoben sich alle, bis auf einen. Sandy Harley blieb schmerzverkrümmt auf seinem Stuhl sitzen. „Ich kann nicht, Freunde“, ächzte er mit verquollenen Augen. „Seht, daß ihr ohne mich zurechtkommt. Mir ist speiübel. In meinem Magen rumort es wie in einem Froschweiher.“
Fred Hiltopp warf ihm einen finsteren Blick zu. „Dann bleib einstweilen hier“, brummte er mürrisch. „Trink ein paar Schnäpse und halt die Klappe, verstanden? Wenn es dir besser ist, kommst du nach.“
Die Lords verdrückten sich. Einer nach dem ändern verschwand durch die Hintertür. Nur Sandy Harley blieb bei Daisy Horway am Tisch sitzen. Seine Gedärme schienen ihn ordentlich zu zwicken. Er brachte noch nicht einmal einen Schnaps hinunter. Mit glasigen Blicken stierte er vor sich hin. Fünf, zehn Minuten saß er so da. Dann schien er sich plötzlich anders zu besinnen. „Es hat keinen Sinn“, murmelte er. „Ich muß in den Bunker. Sonst glauben die Boys am Ende noch, ich wollte sie absichtlich im Stich lassen.“
Taumelnd schwankte er auf die Vordertür zu. Er drehte sich nicht mehr um. Geistesabwesend und zerfahren stolperte er ins Freie hinaus. Kopfschüttelnd blickte ihm Daisy Horway nach. Möchte nur wissen, was sie haben, dachte sie still bei sich. Sie sind völlig verändert. Und an dieser ganzen Wandlung scheint diese Visitenkarte schuld zu sein. Sie wollte eben die kleine Karte an sich nehmen, da entdeckte sie, daß Fred Hiltopp in der Aufregung seine Brieftasche vergessen hatte. Sie nahm das braune Ding an sich, stand hastig auf und lief hinter Sandy Harley her. Er war schon ziemlich weit entfernt. Als sie draußen vor der Tür Umschau hielt, sah sie ihn quer über die ödflächen laufen. Er ging eben an den Gas Works vorüber. Er hielt auf die Themse zu. Daisy Horway wollte ihn erst rufen, aber dann ließ sie es sein. Scharf und frostig wehte ihr der Wind entgegen. Er hätte ihr jedes Wort von den Lippen gerissen.
Deshalb schritt sie rascher aus, um Sandy Harley einzuholen. Sie schaffte es jedoch nicht mehr. Der Mann verschwand in einem Hochwasserstollen am Themseufer.
Daisy Horway lief hartnäckig hinter ihm her. Kurze Zeit später hatte sie den Bunker erreicht. Sie blickte sich fröstelnd um. Nirgends ein Licht. Nirgends ein menschliches Lebewesen. Der Stollen erhob sich flach wie ein Maulwurfshaufen. Er sah so aus, als hätte ihn nie eines Menschen Fuß betreten. Vier Stufen führten zu einem eisernen Schott hinunter. Daisy Horway zögerte
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