Komplott
allerdings, wer in dem Fall ermittelt. Wie viele ranghohe Beamte des SIS gibt es denn, die früher einmal bei Scotland Yard waren?«
»Genau das habe ich mir auch gedacht«, erwiderte Tweed, während er den Artikel rasch überflog. »Klarer kann man es wohl kaum ausdrücken.«
»Ich werde mir diesen Drew Franklin mal vorknöpfen«, brummte Newman in grimmigem Ton.
Paula, die neben ihm saß, warf ihm von der Seite einen fragenden Blick zu. So erzürnt und wild entschlossen hatte sie ihren Kollegen nur selten gesehen.
Als sie ins Büro zurückkamen, wartete dort bereits Pete Nield, der mit besorgtem Gesicht auf und ab tigerte.
»Was ist denn mit Ihnen los?«, fragte Tweed.
»Ich denke nach«, erwiderte Nield.
Sobald Tweed an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, sprang Monica auf und brachte ihm einen großen weißen Umschlag. Dabei trug sie Baumwollhandschuhe.
»Der wurde uns heute Mittag überbracht.«
»Von wem?«
»Das wissen wir nicht. Ich habe mir drüben im Feinkostladen etwas zu essen geholt, und als ich wiederkam, steckte er im Briefschlitz. Ich war etwa zwanzig Minuten außer Haus.«
»Und George? Hat der vielleicht etwas gesehen?« George war ein pensionierter Army-Sergeant, der seit Jahren beim SIS als Pförtner Dienst tat. An ihm kam so schnell keiner vorbei.
»Er war für fünf Minuten auf dem Klo, während der Zeit muss jemand den Umschlag in den Briefschlitz gesteckt haben. George hat jedenfalls niemanden gesehen. Ich habe mir gleich gedacht, dass auf dem Umschlag vielleicht Fingerabdrücke sein könnten, deshalb habe ich ihn immer nur mit Handschuhen angefasst.«
»Dann werde ich das auch tun«, sagte Tweed und zog ein Paar Latexhandschuhe an, die er aus seiner Schreibtischschublade geholt hatte.
Der Umschlag war von guter Qualität und vermutlich in einem Fachgeschäft für Schreibwaren gekauft worden. Die Lasche war nicht festgeklebt, sondern nur lose eingesteckt. Tweed verwunderte das nicht, denn hätte jemand die Gummierung angeleckt, dann wären mit seinem Speichel DNA-Spuren an den Umschlag gekommen.
Vorsichtig griff Tweed in den Umschlag und holte ein großes Farbfoto heraus. Es war eine Nachtaufnahme, die den Rücken eines Mannes mit hochgeschlagenem Mantelkragen zeigte. Eigentlich sah man nicht viel mehr als eine kräftig gebaute Silhouette, die in einer schmalen Straße mit Kopfsteinpflaster vor einem Zimmer im Erdgeschoss stand, dessen Scheibe rötlich schimmerte. Tweed sah hinüber zu Paula.
»Was ist das?«, rief sie und eilte herbei.
»Ich dachte, das könnten Sie mir sagen.«
»Ich glaube, das ist die Fox Street«, sagte Paula. »Um Gottes willen, das sieht ja aus wie ein Fenster mit ganz viel Blut an der Scheibe!«
Sie holte sich ein Vergrößerungsglas von ihrem Schreibtisch und betrachtete damit das Foto genau. »Das Blut muss ganz frisch sein«, sagte sie zu Tweed, »sonst wäre es nicht so rot, sondern braun. Hat Professor Saafeld nicht gesagt, dass der Mörder, als er Violas Kopf vom Rumpf ge trennt hat, auch die Halsschlagader durchschnitten hat? Das Blut ist bis ans Fenster gespritzt, wenn ich mich richtig erinnere. Dann zeigt dieses Foto wohl ein Fenster von Violas Wohnung.«
»Drehen Sie es bitte um«, sagte Tweed.
Paula tat, wie er ihr geheißen hatte, und blickte auf grob hingekrakelte Großbuchstaben, da stand: PORTRÄ EINES MÖRDERS. Tweed zeigte ihr den Umschlag, auf dem in derselben Krakelschrift »AN MISTA TWEED« zu lesen war.
»Miserable Rechtschreibung«, bemerkte Paula.
»Glauben Sie? Mir kommt es eher so vor, als käme der Umschlag von einer gebildeten Person, die absichtlich Fehler macht, um uns in die Irre zu führen.«
»Es ist schwer zu sagen, wie groß der Mann auf dem Foto wirklich ist«, sagte Paula.
»Es fehlt der Maßstab.«
»Es muss nicht einmal ein Mann sein«, ergänzte Tweed, »wie Sie mir ja immer wieder eingebläut haben. Es wäre gut möglich, dass die fotografierte Person mehrere Mäntel übereinander trägt, um massiver zu scheinen. Viel brennender aber interessiert mich, wer das Foto gemacht hat. Er muss genau im richtigen Moment an der richtigen Stel e gewesen sein.«
»Vielleicht ist er dem Mörder gefolgt.«
»Und warum?«
»Aus Eifersucht.«
»Na wunderbar. Dann müssen wir ja nur noch alle eifersüchtigen Menschen abklappern, und schon haben wir unseren Fotografen«, erwiderte Tweed sarkastisch.
»Ich tippe auf Miss Partridge«, sagte Paula.
»Aber leider helfen uns Tipps allein nicht weiter«, sagte
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