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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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dem der Ernst noch vorhanden war.
    Skarre gab keine Antwort. Er ging, und Sejer blieb am Fenster stehen. Goldknöpfe, dachte er und zog sie aus der Hemdentasche. Zerschlitzte Reifen. Zeitungsausschnitte über einen jungen Mann, der auf der Straße verblutet ist. Was mag das zu bedeuten haben? Jetzt tauchte Jacob unten im Licht der Straßenlaterne auf. Er ging mit großen, energischen Schritten an den Blocks vorbei und auf die Straße. Dann wurde er von der Dunkelheit verschluckt.
     
    In Einars Kro saßen zwei Männer und starrten einander an. Es war nach Feierabend, alle anderen waren gegangen. Modes Gesicht war ruhig, die Hand, die das Glas hielt, ebenfalls. Einar drehte sich eine Zigarette. Aus dem Radio strömte leise Musik. Einar war dünner geworden. Er arbeitete mehr und aß weniger, jetzt, wo er allein war. Mode war wie immer. Mode ist im Grunde fast unnatürlich beherrscht, dachte Einar und musterte ihn verstohlen. So unveränderlich. Die Tankstelle war ebenfalls schon geschlossen. Durch das Fenster sahen sie in der Dunkelheit die gelbe Muschel leuchten. »Warum haben sie nie mit dir geredet?« fragte Einar.
    Mißtrauisch.
    »Das haben sie doch.«
    Einar zog an seiner Zigarette. »Aber sie haben nie dein Alibi überprüft oder so.«
    »Dazu hatten sie auch keinen Grund.«
    »Aber alle anderen sind ausgiebig unter die Lupe genommen worden. Ich. Und Frank. Von Gøran ganz zu schweigen.«
    »Du hattest doch den Koffer«, sagte Frank leise. »Kein Wunder, daß sie da mehr wissen wollten.«
    »Aber du mußt doch ungefähr um diese Zeit vom Bowling in Randskogen zurückgekommen sein?«
    »Was weißt du denn davon?« fragte Mode leise.
    »Hab mit Leuten geredet. Das muß man schließlich, wenn man auf dem laufenden bleiben will. Tommy hat gesagt, daß du um halb neun losgefahren bist.«
    »Ah«, sagte Mode mit gemeinem Lächeln. »Du überprüfst die Alibis der Leute. Gøran hat doch gestanden. Was soll das also?«
    »Aber er hat das Geständnis widerrufen. Wenn er nun nicht verurteilt wird«, sagte Einar.
    »Dann sitzen wir in alle Ewigkeit mit diesem Mord da. Und werden uns gegenseitig immer wieder scheel ansehen.«
    »Werden wir?« fragte Mode und trank einen Schluck Bier. Er war sehr bedächtig, dieser Mode.
    »Ehrlich gesagt«, sagte Einar und sah ihn an. »Hältst du Gøran für schuldig?«
    »Keine Ahnung«, sagte Mode.
    »Reden die Leute über mich?« fragte Einar. »Hast du etwas gehört?«
    »Ja, schon. Aber denk jetzt nicht daran. Gøran sitzt hinter Gittern. Wir müssen sehen, daß wir weiterkommen.«
    Einar drückte im Aschenbecher seine Zigarette aus.
    »Es gibt zuviel, was keinen Sinn ergibt«, sagt er. »In der Zeitung stand, daß er seine Kleider und die Gewichte ins Norevann geworfen hat. Aber die haben sie ja nicht gefunden.«
    »In dem Modder findet man doch nichts«, sagte Mode.
    »Und bei der Rekonstruktion gab es auch Probleme. Die Bullen haben ihn unterwegs sicher korrigiert. Um das zu kriegen, was sie hören wollten. So machen sie das doch.«
    »Vermutlich vergißt man Einzelheiten, wenn man im Blutrausch herumgeirrt ist«, sagte Mode.
    »Du kennst dich damit also aus? Mit Blutrausch?«
    Mode ließ sich nicht beirren. »Der ist doch tatsächlich mit Hanteln im Auto durch die Gegend gefahren. Sicher kriegt er ohne Entzugserscheinungen. Das sagt doch genug.«
    »Die Leute haben alles mögliche in ihren Autos liegen«, erwiderte Einar und musterte ihn. »Du fährst doch mit deiner Bowlingkugel spazieren. Immer zwischen Randskog und Elvestad hin und her. Wieviel wiegt die eigentlich?«
    »Zehn Kilo.« Mode lächelte.
    »Und du schwärmst für exotische Frauen«, sagte Einar provozierend.
    »Wirklich?«
    Wieder dieses Lächeln.
    »Du warst mit der Ältesten von Thuans zusammen.«
    »Wir hatten ein Techtelmechtel. Das tut mir auch nicht leid. Das war etwas anderes.«
    Wieder schwiegen sie. Sie starrten zu dem schwarzen Fenster hinüber, fanden dort aber nur ihre Gesichter, und wandten sich wieder ab.
     
    Gunder fuhr wie immer zum Krankenhaus. Er sammelte seine Kräfte, um einige Worte zu sagen.
    »Hallo, Marie. Jetzt beginnt der Prozeß. Wenn er verurteilt wird, dann muß er mit vielen Jahren Gefängnis und Sicherheitsverwahrung rechnen. Danach werden sie das Urteil sicher anfechten, Gøran und sein Verteidiger. Es zu streng finden. Weil er so jung ist. Ich möchte behaupten, daß er nach seiner Entlassung noch immer jung sein wird. Ein Mann von Mitte Dreißig hat das Leben doch noch vor sich.
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