Kopernikus 2
Medizinfläschchen herum. „Das ist ja ausg e sprochen interessant“, meinte sie, als sie d’Branins Bericht gehört hatte. „Auch ich habe irgend etwas gefühlt, einen Hauch der Bedrohung, sehr diffus und verschwommen. Ich dachte mir jedoch, dieses Gefühl käme aus mir selbst heraus, als Reaktion auf unsere beengte Situation, die Langeweile. Meine Stimmungen sind bisweilen recht trügerisch. Hat er sich denn genauer geäußert?“
„Nein.“
„Ich will mal versuchen, aufzustehen und seinen Geist zu ergründen. Auch bei den anderen will ich es mal probieren. Mal sehen, was dabei herauskommt. Wahrscheinlich nicht viel, denn wenn einer was herausbekommt, ist unter Gara n tie er es, weil er zur ersten Klasse der Telepathen gehört, ich jedoch nur zur dritten.“
D’Branin nickte. Er fühlte sich beruhigt. Später, als alle anderen bereits schlafen gegangen waren, bereitete er sich eine Tasse Schokolade zu und unterhielt sich mit Royd die ganze Pseudonacht über, allerdings ohne auch nur mit einem Wort den Telepathen zu erwähnen.
„Ist euch schon mal die Kleidung aufgefallen, die er immer trägt, wenn er seine Projektion schickt?“ fragte der Xenobi o loge seine Mitreisenden. „Mindestens seit zehn Jahren aus der Mode. Ich glaube nicht, daß er in Wirklichkeit so au s sieht. Vielleicht ist er auch verkrüppelt, hat irgendeine Krankheit und schämt sich über sein Aussehen. Es kann doch gut sein, daß seine Krankheit ansteckend ist, vielleicht hat er die schleichende Pest, die – wie ihr sicher wißt – einen Menschen grauenhaft verunstalten kann, aber erst nach ein i gen Jahrzehnten zu seinem Tod führt. Außerdem gibt’s ja auch noch andere Seuchen, etwa Manthrax, die Neue Lepra und die Langamen’sche Krankheit. Könnte es denn nicht sein, daß darin der Grund für Royds selbstverordnete Qu a rantäne liegt? Könnte doch sein, daß sein Abkapseln tatsäc h lich eine Quarantäne darstellt. Denkt mal darüber nach.“
Es war in der fünften Woche ihres Fluges. Melantha Jhirl ließ einen Bauern angreifen. Royd begriff sofort, daß er d a mit das Spiel wieder einmal verloren hatte und gab auf. Es war seine achte Niederlage, die er von seiner schönen G e genspielerin hinnehmen mußte – jeden Tag hatte sie ihm eine zugefügt. Sie saß im Schneidersitz auf dem Teppichb o den des Aufenthaltsraumes. Auf einem Bildschirm vor ihr erstreckte sich das Schachbrett mit seinen Figuren. Lachend schaltete sie den Empfänger aus. „Machen Sie sich nichts daraus, Royd“, tröstete sie ihn, „wie ich Ihnen ja bereits sa g te, bin ich eben ein veredeltes Modell und daher immer drei Züge im voraus.“
„Vielleicht sollte ich mal heimlich meinen Computer ei n schalten“, seufzte er. „Sie würden es niemals bemerken, wenn ich zu diesem Trick greifen würde.“ Seine Projektion tauchte urplötzlich vor ihrem Empfangsgerät auf und grinste sie an.
„Nach drei Zügen wüßte ich Bescheid“, gab sie unbeei n druckt zurück, erhob sich vom Boden und schritt gerad e wegs durch das Phantom hindurch, hinein in die Küche, aus der sie wenige Augenblicke später mit einer frischgeöffneten Büchse Bier zurückkehrte. „Wann hören Sie endlich mal mit dieser blödsinnigen Abkapselei auf und laden mich mal zu einem Besuch in Ihrem Etablissement ein, Kapitän?“ fragte sie unvermittelt, den Blick nicht etwa auf die Projektion, so n dern auf den Übertragungslautsprecher an der Wand geric h tet. Sie weigerte sich einfach, den Schemen als Person zu b e trachten. „Wird es Ihnen denn dort drinnen nicht mal lan g weilig? Sind Sie vielleicht in sexueller Hinsicht fr u striert? Mann, Sie haben doch wohl nicht etwa Klaustroph o bie?“
„Ich habe auf der Nachtfee mein gesamtes Leben ve r bracht, Melantha“, sagte Royd. Seine Projektion löste sich in Luft auf. „Wenn ich tatsächlich unter sexueller Frustrier t heit, Klaustrophobie oder Einsamkeit litte, wäre dieses L e ben, so wie ich es immer geführt habe, völlig unmöglich gewesen. Das sollte Ihnen als einem veredelten Modell doch wohl klar sein.“
Sie tat einen tiefen Zug aus ihrer Büchse und ließ ihr we i ches, wohlklingendes Lachen ertönen. „Ich werde Sie harte Nuß schon noch knacken“, warnte sie ihn scherzhaft.
„Na prima“, gab er zurück. „In der Zwischenzeit können Sie mir ja noch ein paar Schwänke aus ihrem Leben erzä h len.“
„Habt ihr je vom Jupiter gehört?“ fragte die Xenotechnikerin ihre Mitreisenden.
Sie war
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