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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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erledigen würde, zog seine Pistole. Er war schnell, aber nicht schnell genug. Ein halber Meter Stahl schoß blitzend aus des Ungarn Gehstock heraus, so geschwind, daß man es gar nicht richtig beobachten konnte. Jurados Freund ließ mit einem Aufschrei die Pistole fallen. Sein Handgelenk war blutig.
      Und noch immer war dieser bärenstarke Jurado für eine Überraschung gut. Er rammte mich aus seiner gebückten Stellung mit der Schulter, daß es mich bis zur Wand zurückriß. Wäre er nicht in diesem Augenblick mit dem Fuß ausgerutscht, hätte er mich nun wohl erwischt. Während ich mich wieder aufrichtete, stürzte er sich schon wieder auf mich. Ich duckte mich unter seinem Arm weg, drehte die Schulter einwärts und ließ ihn über meine Hüfte mit einem wilden Buttock-Cross abrollen, direkt durch das Fenster.
      Die Menge stob vor dem Glassplitterregen auseinander, und ich sprang bereits über das Fensterbrett auf die Terrasse, wo ich gerade rechtzeitig ankam, um ihn nun meinen Stiefel ins Gesicht zu treten, gerade als er sich aufzurappeln versuchte. Und er fiel auf die Straße.
      Dort lag er nun auf dem Rücken, während ich es plötzlich nötig fand, mich an einem der Verandapfosten festzuhalten. Ich lehnte mich daran und sah mich um. Ich erkannte Victoria vier oder fünf Meter entfernt am Rand der Menge.
      Ihr Gesicht war sehr blaß, ihre Augen weit aufgerissen. Ich lächelte, oder glaubte jedenfalls, es zu tun – wahrscheinlich bot ich trotz meiner Bemühungen keinen freundlichen Anblick. Und dann, Dank sei Gott in der Höhe, geschah ein Wunder.
      Ihre Augen weiteten sich noch mehr, ihr Gesicht zerbrach wie ein splitternder Spiegel, ihr Mund war weit aufgerissen zu einem ihrer lautlosen Schreie. Aber stattdessen schrie sie meinen Namen.
      »Emm-et!« Mit einem Loch in der Wortmitte, aber dennoch ganz deutlich.
    Ich drehte mich zur Seite, und da stand Jurado schon wieder. Diesmal mit dem Messer in der Hand. Im gleichen Moment aber erschien Nachita aus der Dunkelheit und warf sein offenes Messer aus der hohlen Hand so, daß es in den Brettern direkt vor meinen Füßen steckenblieb.
      Weiß Gott, aber hier und jetzt war die Kraft in mir. Nichts hatte mich jemals mehr beflügelt als die Tatsache, daß ich meinen Namen gehört hatte – aus dem Mund des Menschen, der mir am meisten bedeutete. Victoria hat mir sehr viel später erzählt, daß der Ausdruck in meinem Gesicht, als ich nun auf die Straße hinuntersprang, um diesem Mann mit dem Messer in der Hand entgegenzutreten, schrecklich gewesen sei.
      Das muß wohl auch Jurado so empfunden haben. Denn er warf sein Messer weg und flüchtete in die Dunkelheit.
      Ich drehte mich um und stand drohend vor dem Meer von Gesichtern, die das Laternenlicht wachsgelb erscheinen ließ. In den meisten von ihnen stand Furcht. Dann trat van Horne auf mich zu. Er legte mir die Hand auf die Brust, als wolle er mich vor dem Fallen bewahren. Seine Stimme schien direkt aus der Erde selbst zu kommen, entfernt, weit weg. Aber wie auch immer, ich wollte in diesem Moment nur einen einzigen Menschen auf der Welt sehen.
      Aus irgendeinem Grund weinte sie. Warum denn nur das? Und dann erinnerte ich mich. Ich sagte sanft: »Mein Name? Wie ist mein Name?«
      Aber jetzt gab es nichts mehr zu fürchten, denn der Bann war gebrochen. »Emmet«, wiederholte sie. »Emmet.«
      »Wir werden jetzt gehen«, sagte ich. »Bevor ich hier auf der Stelle umfalle und uns vor der ganzen Welt noch blamiere.«
      Sie nahm meinen Arm, Nachita den anderen, und so ließen wir die Männer, wo sie waren, und gingen dahin, wo wir hingehörten.

    Sie schafften mich ins Lager und in das Zelt. Dort lag ich in der kühlen Dunkelheit und ließ mich von dem Meer der Nacht überspülen.
    Nach einer Weile kam Victoria mit einer Wasserschüssel und
    einem Tuch und begann vorsichtig, mein Gesicht abzuwaschen.
      Ich war müde, mein Kopf schien sich von den Schultern zu lösen, aber ich war trotzdem noch so weit bei Bewußtsein, daß ich immer wieder ihre Stimme hören wollte. Ich faßte sie an den Handgelenken. »Sag etwas – irgend etwas. Nur, damit ich dich höre.«
      Ihr Zögern war fast körperlich spürbar, aber dann sprach sie. Langsam, vorsichtig, jedes Wort für sich, die Stimme ziemlich fern und mehr als nur ein wenig heiser. »Was soll ich sagen?«
      »Kein Wort mehr«, antwortete ich und begann schwach zu lachen. Und dann umfing mich die Dunkelheit wirklich.

    Der

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