KR151 - Ich rettete 2 Millionen
die Tage, die das Schiff eventuell seinetwegen länger im Hafen bleiben musste, übernahm er den Ausfall und die Gebühren. Da Brassard dunklen Geschäften ohnedies nicht abgeneigt war, hatten sich keine Schwierigkeiten in der Verständigung ergeben. Der Mann war wie vereinbart mit zwei Gefährten an Bord gekommen.
»Und wie hat er die ›Saint Cyr‹ verlassen?«
»Ich überließ ihm achtzehn Seemeilen vor Le Havre das motorisierte Beiboot.«
»Kennen Sie sein Ziel, Kapitän?«
»Ich kenne es wirklich nicht.«
Wenn ich an das Gesicht hinter der Scheibe dachte, so musste ich diesem Gauner in Kapitänsuniform glauben. Der Chef hatte ihm sicher nicht mehr gesagt, als unbedingt nötig war.
»Hatten Sie den Eindruck, dass der Mann in Frankreich erwartet wurde?« Er zuckte die Achseln.
»Er sprach fließend Französisch. Ich bin sicher, er hat alles vorbereitet.«
»Beschreiben Sie die Leute!«
Er tat es, so gut er konnte. Der Chef war also ziemlich groß, schwarzhaarig, scharfes Gesicht, ungefähr fünfunddreißig, kleine graue Augen. Der zweite Mann musste eine ähnliche Milchjungentype sein wie dieser Crisby, blond, unauffällig, leidlich intelligent, Sportstyp und sehr jung. Den dritten beschrieb Brassard als einen großen, plumpen Kerl, der nicht einmal während der Reise den Mund aufgetan hätte. Er schien eine Art Diener des Schwarzhaarigen zu sein.
Ich stand auf.
»Danke, Kapitän, ich denke, Sie haben uns alles gesagt, was Sie wissen. Nur eines noch. Was wurde Ihnen für Ihre Hilfe gezahlt?«
Der letzte Blutstropfen wich aus seinem Gesicht.
»Nichts«, stammelte er. »Ich wurde betrogen. Sie behielten mir die vereinbarte Summe vor.«
Ich lachte nur. »Ihre Leute erhielten von Ihnen pro Kopf hundert Dollar. Ich wette, Sie haben mindestens zehntausend bekommen.«
»Keinen Penny!«, schrie er wütend.
In diesem Augenblick hörte ich die Stimmen von mehreren Männern. Einer rief nach dem Kapitän und erzählte dann eine lange Geschichte. Irgendwie schien sie für uns unangenehm zu sein, denn ich sah, wie sich Brassards Gesicht zu einem Grinsen entfaltete.
Ich blickte Phil fragend an.
»Wir haben Pierre vergessen«, erklärte er. »Er scheint auf der Suche nach Jean an Bord zurückgekommen zu sein, hat von der Wache erfahren, dass sein Freund mit zwei Leuten an Bord gekommen ist, hat Unrat gewittert, und nun stehen die Leute draußen und fragen, ob sie die Tür einschlagen sollen.«
Wie zur Bestätigung rammten die ersten Schulterstöße vor die Füllung. »Sagen Sie den Leuten, sie sollen sich trollen. Wir werden uns nötigenfalls die Bahn freischießen.«
Er biss die Zähne aufeinander, dass die Wangenmuskeln knackten, aber er sah die Notwendigkeit ein. Er schrie auf Französisch einen Befehl. Die Stöße gegen die Tür hörten auf.
»Machen wir, dass wir hier hinauskommen«, sagte ich zu Phil. Wir bildeten eine Art Geleitzug. Ich fasste den Kapitän mit einer Hand am Kragen, entriegelte die Tür, versenkte die Rechte wieder drohend in die Brusttasche und stieß Brassard vor mir her.
Draußen stand der Rest der Mannschaft versammelt, vier Matrosen vom Dienst und Pierre. Sie traten einen Schritt zur Seite. Brassard zögerte.
»Go on!«, knurrte ich.
Es schien alles reibungslos zu klappen, und dann steckte der Teufel einen Finger ins Spiel, und es gab Schwierigkeiten. Der Finger bestand aus einer Eisenstange, die wenige Schritte von der Kajütentür entfernt auf dem Deck lag und die ich nicht bemerkte, weil ich drohende Blicke auf die fünf Männer werfen musste. Dieses Ding geriet mir zwischen die Beine, und weil ich mit einer Hand Brassard am Kragen hielt, die andere aber in der Brusttasche hatte, stolperte ich und zog den Kapitän mit zur Erde.
Ich weiß nicht, was in den Gehirnen der Seeleute vorgegangen ist. Vielleicht glaubten sie, ich hätte einen Herzschlag bekommen, oder sie dachten, ich hätte den Kapitän gekillt. Jedenfalls verloren sie schlagartig jegliche Rücksichtnahme auf unsere angeblich vorhandenen Kanonen und schlugen wie eine Welle über mir zusammen.
Obwohl sich mindestens vier auf mich stürzten, und zwar gleichzeitig, lag ich relativ weich, nämlich auf dem Kapitän. Man bekommt zwar etwas schlecht Luft, wenn vier Mann auf einem liegen, aber es ist erstaunlich, festzustellen, dass man von vier Leuten, die gleichzeitig auf einen armen G-man losdreschen, wesentlich weniger Schläge bekommt, als wenn ein Könner auf dem Gebiet das Geschäft besorgt.
Mein Luftmangel
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