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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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angesetzt und verlief komplikationslos. Die Ärzte bemühten sich in einer langen Operation, den Schließmuskel zu erhalten, und er bekam für sechs Monate einen künstlichen Ausgang. Danach eine neuerliche OP . Auch diese verlief gut. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie steckte er weg. Er war bis zu seiner Pensionierung immer ein guter, verlässlicher Beamter gewesen, hatte sich auch körperlich fit gehalten, und das hatte sich nun im Alter nicht geändert.
    Als die Bestrahlungstherapie anstand, unterschrieb er den ihm vorgelegten Bogen, nachdem er ihn genau durchgelesen hatte. Es wurden Nebenwirkungen erwähnt, unter anderem eine leichte Rötung der Haut. Pünktlich absolvierte er seine Bestrahlungstermine. Auch an jenem Vormittag, der gravierende Folgen für ihn haben sollte. Bei der Vorbereitung erzählte ihm die Assistentin beiläufig, er sei heute übrigens der erste Patient nach der Wartung des Strahlengeräts. Der Mann dachte sich nichts dabei. Nach erfolgter Bestrahlung spürte er bereits beim Ankleiden ein Brennen auf seinem Gesäß. Er fuhr nach Hause, und als er auf die Toilette ging, lösten sich die Hautfetzen beim Herunterziehen der Unterhose. Er schrie auf vor Schmerzen, denn er hatte großflächige Verbrennungen. Er konnte in der Folge weder sitzen noch auf dem Rücken liegen; außerdem war er noch von der zweifachen Operation und der folgenden Chemotherapie geschwächt – und nun das!
    Seine Frau eilte in die Apotheke und versorgte sich mit den einschlägigen Brandsalben. Der Darmkrebspatient wusste, die nächste Bestrahlung muss ausfallen. Zwischen den unsäglichen Schmerzen, die ihn bei jedem Stuhlgang begleiteten, traten nun auch noch die Folgen der Brandverletzung hinzu und die Angst, dass durch das Auslassen eines Bestrahlungstermins der Krebs weiterwuchern könnte. Seine Frau informierte die diensthabende Ärztin in der Strahlenabteilung und sagte den Folgetermin ab. Die Antwort: »Das kann nicht sein.« Er solle vorbeikommen. Nur wie? Mit dem umgewickelten Baumwollleintuch? Er konnte doch nicht sitzen, also wie soll das gehen? »Wenn er nicht kommt, kann ich auch nicht beurteilen, weshalb es so ist«, beendete die Ärztin das Telefonat. Was tun? Die Ehefrau fotografierte also das knallrote, verbrannte Gesäß ihres Mannes, fuhr umgehend mit den Bildern in die Uniklinik und legte sie der Ärztin vor. Diese schob sie sofort auf die Seite und sagte: »Was soll ich mit den Bildern von einem verbrannten Hintern?«
    So kam es, dass sich der geschundene Patient selbst so seine Gedanken machte, was hier eigentlich passiert ist. Er war, das hatte er gehört, der erste Patient nach einer Wartung des Bestrahlungsgeräteherstellers. Die Ärzte, denen er von seiner Vermutung Mitteilung machte, taten es ab. Sie deklarierten die Verbrennung als »Nebenwirkung« und erinnerten ihn überdies daran, er habe ja vorab »unterschrieben«. Misstrauisch geworden, nahm sich der Mann her, was er da eigentlich genau unterschrieben hatte. Tatsächlich werden in dieser Einwilligung mit Vorabunterschrift bei den Nebenwirkungen »Hautrötungen« aufgeführt. Von einem Verbrennungsgrad, dass die Hautfetzen wegfallen und das pure Fleisch offen liegt, stand da nichts. Was bei der Bestrahlung da passierte, sagte sich der Mann, musste wohl mehr sein als eine »Hautrötung«! Im Übrigen war es nicht die erste Bestrahlung, die er erhalten hatte. Aber die erste eben nach der Wartung!
    Zu allem Übel erhielt unser Krebspatient zu dieser Zeit auch noch drei falsche Medikamente. Es ist wieder einmal so eine Geschichte, bei der man den Eindruck hat, als verschwöre sich die halbe Welt gegen ein armes Menschlein. Doch der Mann, der mir da seine Erfahrungen mitteilt, ist alles andere als ein wehleidiger Trauerkloß. Mir begegnet ein durch und durch positiv gelagerter Mensch, der mir seine Krankheitsodyssee mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählt: »Täglich verbringe ich viele Stunden in meinem ›Keramikstudio‹, da habe ich genug Zeit, um mir so meine Gedanken zu machen!« Klingt doch gut? Da muss man erst mal dahintersteigen, dass er die Toilette meint. Bedingt durch seine Darmoperation ist dieser stundenlange Aufenthalt notwendig geworden: »Man wird zum Fachmann, liebe Frau Hartwig! Ich kenne alle Sorten von Toilettenpapier, ihre Griffigkeitsstärke, vor allem ihre Beschaffenheit! Wissen Sie, man kann sich auf die unterschiedlichste Art selbst quälen …«
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