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Kriegsenkel

Kriegsenkel

Titel: Kriegsenkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Bode
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drückte er so aus: »Et kütt wie et kütt«, (es kommt, wie es kommt) und »Et hätt noch immer joot jejange« (Es ist noch immer gut gegangen). Diese Sprüche stehen noch heute in Köln und Umgebung hoch im Kurs – handelt es sich doch hierbei um das 1. und 2. »Rheinische Grundgesetz«. Hans Glaser war nicht religiös, andernfalls hätte er vielleicht aus den Sprüchen Salomo zitiert: »Da merkte ich, dass es nichts Besseres gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes.«
    Falls Ursula Glaser lieber einen erfolgreicheren Mann an ihrer Seite gehabt hätte, muss sie diesen Wunsch sehr tief in sich vergraben haben. Nie hat ihr Sohn erlebt, dass sie dem Vater [268] deshalb Vorwürfe machte, auch keine stummen. Doch Ursula Glasers Erwartungen ihren Kindern gegenüber waren eindeutig. »Sie verstand es, mich und meinen Bruder zu motivieren«, erzählt Jochen. »Sie setzte mich nicht unter Druck. Sie machte mir nur immer wieder klar: ›Wenn du was haben willst, dann musst du dich entscheiden. Dir schenkt niemand was im Leben. Ich kann’s auch nicht für dich machen, du musst es schon selbst tun!‹«
    Inzwischen zeigte der im Jahr der Eheschließung erfolgte Sputnik-Start erhebliche Auswirkungen: Der »Sputnik-Schock«, der der Regierung die Defizite der Forschung klar machte, löste in Westdeutschland eine Bildungsoffensive aus, von der vor allem Arbeiterkinder profitierten, so auch Jochen und sein älterer Bruder. Beide machten Abitur, beide studierten. Sie sind die ersten Akademiker in der Familie. »Meine Mutter hat sehr streng darauf geachtet, dass wir Abitur machen« sagt Jochen Glaser. »Auf dem Gymnasium hatte ich keine Probleme. Es gab nicht mehr die alten Vorbehalte gegenüber Arbeiterkindern. Ich bin gern zur Schule gegangen.« Er habe sich auch bei den Hausaufgaben gut konzentrieren können, und das, obwohl die Wohnung klein war und er bis zu seinem 14. Lebensjahr mit seinem Bruder ein Zimmer teilen musste. Dann gerät er regelrecht ins Schwärmen. »Wir hatten ein schönes Familienleben. Vater war ja sehr gesellig. Ständig war die Wohnung voll mit Leuten. Es war ein Phänomen: Vater konnte nichts vorweisen. Er hatte keinen Status, kein dickes Auto, keinen Doktortitel. Und trotzdem war er immer mittendrin. Seine erfolgreichen Schwäger mochten ihn sehr.«
    [269] Der Vater mied jede Prüfung
    Was Jochen bedauert ist, dass der Vater sein Talent nicht noch mehr nutzen konnte. »Er hätte das Zeug zum Showmaster im Fernsehen gehabt. Dieser Humor! Er konnte Menschen wunderbar auf die Schippe nehmen, ohne je verletzend zu sein. Er besaß die Fähigkeit, andere Menschen zu beruhigen und Spannungen auszugleichen.« Wäre Hans Glaser in den sechziger Jahren zur Welt gekommen, hätte er sich womöglich später in der Comedy-Szene einen Namen gemacht. Nur hätte er auf keinen Fall die Nerven für ein Casting im Fernsehen gehabt. Er war kein Prüfungstyp. Er hielt es nicht aus, kritisiert zu werden. Deshalb scheiterte er auch beim Führerschein. »Während einer Fahrstunde«, erzählt Jochen, »hat er plötzlich angehalten und ist ausgestiegen. Und das war’s dann. Kein zweiter Versuch mehr. Unsere Mutter hat dann noch mit 45 Jahren den Führerschein gemacht und ihn im Auto kutschiert.«
    Hans Glaser und seine Frau waren ein eingeschworenes Team. Er brachte sie zum Lachen und sorgte für gute Laune in der Familie. Ursula Glaser gab ihrem Mann Halt und erreichte, dass ihre Söhne einen beachtlichen beruflichen Ehrgeiz entwickelten. Am Ende ihres Lebens sah sie mit Bedauern, dass nicht alle ihre Erwartungen erfüllt worden waren: »Da habe ich zwei gut aussehende Söhne in die Welt gesetzt, aus beiden ist etwas geworden, und keinem ist es gelungen, mich zur Großmutter zu machen«.
    Jochen Glaser gibt mir zu verstehen, bei ihm hätten tiefer gehende Gedanken über seine Eltern und seine Herkunft keine Rolle gespielt. Selbsterforschung war seine Sache nicht. Überlegungen zur eigenen Identität – Wie bin ich so geworden, wie ich bin? – interessierten ihn nicht. Das änderte sich erst in den Jahren mit Anna. »Sie stellte genau die Fragen, die ich mir nie gestellt habe«, erzählt Jochen. »Sie sagte: Beschäftige dich doch mit dir und nicht mit einer weiteren Ausbildung. Also, auf die [270] Idee wäre ich von selbst gar nicht gekommen. Ich habe, bevor ich Anna kennen lernte, auch nichts

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