Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Sorgen. Alles hatte damit angefangen, dass die Lampen im Palast ausgegangen waren. Das war kurz nach Taus Erwachen geschehen. Danach war lange nichts passiert und die allgemeine Beunruhigung war verflogen. Dann hatte die Kunde von kranken Tieren und Fehlgeburten Maliks Ohr erreicht. Zunächst vereinzelt, dann verbreitet und er wurde aufmerksam.
Er zog allein los, um Informationen zu beschaffen. Zu keinem Zeitpunkt hatte er Tau verboten, seine Räumlichkeiten zu verlassen. Doch sie hatte seine Erleichterung gesehen, als ihm bewusst wurde, dass sie sich nicht bei der erstbesten Gelegenheit davonschleichen würde.
Wie er so viel herausfand, blieb Tau schleierhaft. Zumal er von niemandem gesehen werden sollte.
Offenbar hatte er sein eigenes Informationsnetz. Der Anspruch auf den Thron war ihm wegen seines verkrüppelten Fußes verwehrt worden. Der Hochkönig durfte keinen körperlichen Makel aufweisen. Als Herrscher war er ein Symbol der Stärke und Unfehlbarkeit. Ein Unfall verursachte Maliks Behinderung in seiner frühen Kindheit. Er war also gesund auf die Welt gekommen. Doch seine Eltern hatten Angst, wie der Hof auf ihren verkrüppelten Sohn reagieren würde, also hatten sie ihn enterbt und ihre Aufmerksamkeit und Liebe dem zweiten Sohn, Julian, geschenkt. Anfänglich hatte Malik unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen mit seiner Familie gelebt. Als er sich zunehmend überflüssig und ungewollt gefühlt hatte, entschied er, sich aus dem Familienleben auszugrenzen. Er bekam die Räume in diesem Turm und niemand war unglücklich über die Tatsache, dass sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekamen. Wenn er richtig mitgezählt hatte, dann hatte er mittlerweile drei weitere Geschwister – alle gesund und makellos –, die vor ihm den Thron erklimmen würden.
Tau gewann den Eindruck, dass Malik sein Schicksal akzeptierte. Er hatte sich nicht dem Selbstmitleid hingegeben. Sein Verstand war klar und wach. Aufmerksam beobachtete er seine Umgebung und bemerkte meistens vor allen anderen, wenn sich etwas anbahnte.
„Was willst du tun?“
„Ich muss herausfinden, was auf dem Land passiert. Seit Jahrhunderten gab es keine Fehlgeburten in diesem Reich. Tiere und Menschen waren immer fruchtbar. Es kann kein Zufall sein, dass sich das plötzlich geändert hat.“
Er sah auf und der Blick seiner himmelblauen Augen traf auf den von Taus meergrünen. Er biss sich auf die Lippe, dann breitete sich allmählich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
Er zog sie zu sich auf den Schoß und flüsterte: „Was hältst du davon, wenn wir eine Reise unternehmen?“
„Wir?“
„Genau.“
„Wohin?“
„In die Königreiche.“ Er küsste sie leidenschaftlich, beinahe schon ungestüm, und obwohl sie verwirrt war und ihr Dutzende von Fragen im Kopf herumschwirrten, konnte Tau nicht anders, als den Kuss zu erwidern. Ihre Lippen öffneten sich und seine Zunge stieß vorsichtig gegen die ihre. Als seine Hände begannen, die Schnüre ihres Mieders zu lösen, fiel es Tau nicht schwer, sich ihm hinzugeben.
Irgendwann hatten sie ins Bett gewechselt, wobei Tau splitternackt durchs Zimmer gehüpft war, weil Malik sie nicht tragen konnte.
Sie liebten sich mehrmals, bis die Dämmerung hereinbrach. Erschöpft war Tau schließlich eingeschlafen. Als sie wieder aufwachte, war Maliks Bettseite leer. Seine Kleider waren ebenfalls verschwunden. Auf der Bettkommode stand ein Tablett, auf dem eine Schale mit Winterfrüchten und frischem Sauerteigbrot lag.
Tau seufzte, denn sie war ein bisschen enttäuscht, dass er wieder weg war. Gleichzeitig war sie voller Glück über die Tatsache, dass ihr Herz sich bereits jetzt vor Sehnsucht nach ihm verzehrte. Irgendwann huschte Danos, eine der drei Katzen in Maliks Besitz, zu ihr und machte es sich zwischen den weichen Kissen bequem.
Tau.
Ihre Finger, die langsam über das lange Fell der weißen Katze gestreichelt hatten, krallten sich in den Pelz. Während andere Katzen sie böse angefaucht hätten und davon gesprungen wären, öffnete Danos lediglich träge die Lider und ließ ein unwilliges Grollen hören.
Tau.
Mythos’ Stimme ließ Tau frösteln. Sämtliche Härchen an ihrem Körper stellten sich auf. Plötzlich fühlte sie sich nackt und verletzlich.
Tau. Ich weiß, dass du mich hören kannst.
Es war nicht das erste Mal, dass er in ihre Gedanken eindrang.
Was tust du da, Tau. Komm zurück. Wir brauchen dich. Wir sind deine Familie, alles, was du hast.
Er machte eine Pause.
Du hast jemanden
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