Krisenfest leben
weiterbringt
Selbstmitleid ist etwas anderes als Mitgefühl mit sich und der eigenen Lage zu empfinden. Mitgefühl mit sich selbst in einer Krisensituation ist durchaus etwas Positives – ähnlich dem Mitgefühl, das wir für andere spüren, wenn wir hören, dass sie von einem Unglück betroffen sind. Selbstmitleid dagegen wirkt destruktiv. Mitgefühl bedeutet Verständnis, Empathie und Wertschätzung; es behindert das Handeln nicht sondern fördert es oft sogar. Selbstmitleid hingegen ist von Passivität, Hoffnungslosigkeit und Resignation geprägt – und schielt danach, wie viel besser es anderen zu gehen scheint, wie schlimm gerade das eigene Leben ist, wie ungerecht das Schicksal mit einem umgeht usw. Wenn wir darüber jammern, verfestigen wir damit leider das, worüber wir uns beklagen.
Die Überzeugung, nichts machen zu können, wird rasch zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Auch wenn Sie nicht die Verantwortung für das tragen, was passiert ist: Sie tragen die Verantwortung dafür, wie es mit Ihnen weitergeht. Das mögen Sie als ungerecht empfinden, aber es ist dennoch die einzige Betrachtungsweise, die Sie weiterbringt. So verständlich Passivität undSelbstmitleid in einer Krise auch sein mögen: Sie verhindern, einen Ausweg zu finden und verhelfen dazu, sich sozusagen im Elend einzurichten und andere machen zu lassen. Und die treffen Entscheidungen nach ihren eigenen Maßstäben, das muss nicht unbedingt zu Ihrem Besten sein.
Übung: Selbstmitleid stoppen
Sobald Sie bemerken, dass Sie beim Nachdenken über das Geschehene sich nur als Opfer anderer sehen können und sich immer mehr bedauern, probieren Sie einmal Folgendes aus:
Schauen Sie auf die Uhr und erlauben Sie sich genau 10 Minuten lang, sich selbst leid zu tun – so intensiv wie möglich.
Rufen Sie sich alle Gründe ins Bewusstsein, die gut dafür sind, sich selbst zu bedauern.
Wenn die 10 Minuten vorüber sind, beenden Sie Ihre selbstbedauernden Gedanken.
Wenn der nächste Anfall von Selbstmitleid kommt, wiederholen Sie die Übung: Exakt 10 Minuten lang tun Sie sich selbst so leid wie nur irgend möglich und dann: stopp.
Sie werden merken, dass die Anwandlungen von Selbstmitleid rasch weniger werden, wenn Sie sich diese »verordnen«. Gut so. Dies führt Sie heraus aus dem passiven Erleiden und dahin, sich Gedanken zu machen, wie Sie aus der Krise herauskommen.
Haben Sie Mitgefühl mit sich und ihrer Situation, seien Sie gut zu sich. Aber gehen Sie davon aus, dass Sie – trotzallem, was passiert ist und wer immer die Verantwortung für das Geschehene trägt – jetzt selbst entscheiden müssen, wie es in Ihrem Leben weitergehen wird. In dem Maße, wie Sie sich verantwortlich sehen für Ihre Gefühle, Ihre Gedanken und Ihr Handeln, erobern Sie sich ein Stück Freiheit zurück. Sobald Sie die Verantwortung für sich selbst und Ihr Leben übernehmen, sind Sie nicht mehr in der Opferrolle. Sagen Sie sich: »Es gibt für mich nicht nur ein einziges festgelegtes Muster wie ich reagieren kann, sondern es steht mir frei, auch anders zu fühlen, zu denken und zu handeln.«
Sogar wenn Ihr Spielraum in der akuten Krise nicht besonders groß ist – es gibt ihn. Ein wenig Entscheidungsfreiheit ist besser als gar keine Entscheidungsfreiheit.
Selbst wenn Sie im Moment noch keine Lösung sehen – völlig egal. Sie haben das Recht, sich die Zeit zu nehmen, die erforderlich ist.
Wichtig ist, dass Sie willens sind und sich in Bewegung setzen, die Situation für sich selbst zu bereinigen und Erkenntnisse daraus für künftiges Handeln fruchtbar zu machen.
Lassen Sie los
Um mit sich ins Reine zu kommen, müssen Sie loslassen. Verabschieden Sie sich von Illusionen, gestehen Sie sich ein, dass bestimmte Erwartungen verfehlt waren und sich nicht erfüllen werden. Dann hört der innere Kampf auf und es vertieft sich die Akzeptanz für die Situation: Es ist eben so, wie es ist. Nach einem überstandenen Herzinfarkt müssen Sie Ihren Lebensstil ändern. Wenn Sie Vermögen verloren haben, müssen Sie bescheidener als bislang wirtschaften.
Es ist schmerzhaft, sich von Dingen zu verabschieden, die nicht mehr rückholbar oder von Vorstellungen, die nicht mehr realisierbar sind. Wir weigern uns manchmal vehement, einzusehen, dass wir einiges von dem, was wir erträumt hatten, nicht mehr erreichen werden. Doch am Status Quo festhalten zu wollen führt in die Stagnation. Die nüchterne Klarheit über die verbliebenen Möglichkeiten mag zunächst nicht
Weitere Kostenlose Bücher