Kristina, vergiß nicht
aus und sagte: »Polnisches Erzeugnis aus dem Maschinenkombinat. Wertarbeit.«
Sie hielt ein Foto hoch. »Polnisches Erzeugnis. Gutes Foto. Ich habe es mit dieser Schieblehre nachgemessen. Es stimmt genau auf den Zehntelmillimeter. Alle anderen Fotos auch.«
Sie erhob sich.
»Verstehen Sie, Pan Naczelnik, Ihr Mann da im Erdgeschoss behauptet, dass die Fotos zu klein sind. Er behauptet nicht mehr und nicht weniger, als dass die Feinmechanik dieser Republik nichts taugt. Er behauptet, dass der Fotograf nichts leistet. Er beleidigt damit die Republik.«
Auch der Naczelnik stand auf. Er schaute Großmutter in die Augen. Die hielt seinem Blick stand. Kristina sah, wie ein Lächeln in beiden Gesichtern wuchs, verborgen in den kleinen Fältchen um den Mund.
»Ich mache Sie darauf aufmerksam«, sagte er, »dass das eine schwere Anschuldigung ist.«
»Das weiß ich«, antwortete Großmutter fest.
»Geben Sie Ihre Unterlagen meiner Sekretärin. Und vergessen Sie Ihre Schieblehre nicht.«
Er öffnete die Tür. »Sie hören von uns.«
Er verschloss die Tür von Zimmer Nummer 1. Kristina wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie endlich wieder auf dem Marktplatz standen. »Heiß war es da drinnen«, sagte sie.
»Mensch, Großmutter, du bist ein Drachen«, lachte Janec.
»Ein Drachentöter ist sie«, sagte Kristina.
»Wir haben eine Stärkung verdient.« Mutter hakte Großmutter unter. »Ich lade euch zum Essen ein.«
»Danke«, sagte Großmutter. »Mir ist jetzt ziemlich flau. Stellt euch vor, er hätte entdeckt, dass auf der alten Schieblehre ›Made in Germany‹ steht.«
Janec kannte ein kleines Lokal in einer Nebenstraße. Das Essen war gut, das Mineralwasser hatte genügend Kohlensäure und für Großmutter gab es sogar ein gut gebrautes Bier. Janec drängte zum Aufbruch. Die drei Frauen wollten noch ein wenig durch das PDT-Kaufhaus bummeln. Wolf erwies sich jedoch als lästig. Kristina hatte ihn an die Leine genommen. Er ließ es sich diesmal gefallen. Die vielen Leute schüchterten ihn offensichtlich ein. Er drängte sich eng an ihre Knie.
»Das fehlt uns gerade noch!«, protestierte eine ältere Verkäuferin hinter dem ersten Verkaufstisch und drohte mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Köter im Kaufhaus! Machen Sie, dass Sie mit dem Vieh auf die Straße kommen. Für Hunde ist jedes PDT verboten!«
Um Kristina und Wolf bildete sich schnell ein Kreis von Neugierigen.
»Kommt wohl vom Lande, was?«, mischte sich ein älterer Mann ein. »Hunde gehören auf die Straße.«
»Ich warte draußen auf euch«, sagte Kristina und versuchte den Hund zum Ausgang hinzuziehen. Doch der gab seiner Verachtung für das Hundeverbot auf recht drastische Weise Ausdruck. Er setzte sich in die Hocke, und ehe es Kristina verhindern konnte, hatte er ein beträchtliches Denkmal hinterlassen. Die Umstehenden ließen ihrer Empörung freien Lauf. Die Ausdrücke, mit denen sie Wolf und auch Kristina bedachten, waren nur unbedeutend feiner als die Handlungsweise des Hundes. Kristina stand verlegen da. Das Blut war ihr ins Gesicht geschossen.
Mutter fand auf ihre praktische Art den Ausweg. Während sich rings in das Schimpfen allmählich Lachen und Scherze mischten, etwa derart, der Hund habe deutlich gezeigt, was er von PDT halte, kaufte sie schnell eine kleine Kohlenschaufel, platzierte die Ursache des Unmuts mit Schwung darauf und trug sie mit gerümpfter Nase dem Ausgang zu. Willig öffnete sich vor ihr eine Gasse in der Menge.
Nun folgte auch Wolf Kristinas Zerren. Kristina bot an mit Wolf durch die Straßen zu laufen, doch Rosa und Großmutter war die Lust auf das PDT gänzlich vergangen.
Gegen vier warteten sie auf den Bus. Mit einiger Verspätung kam er endlich, überfüllt wie immer.
»Ich habe ein gutes Gefühl«, flüsterte Großmutter Kristina ins Ohr. »Diesmal wird es klappen.«
»Das hast du schon achtmal prophezeit, Großmutter«, antwortete Kristina. »Achtmal haben sie dich aufs Kreuz gelegt.«
»Findest du diese Redensart passend für ein Mädchen?« Großmutter blickte sie an. Kristina lachte und nickte.
Wird allmählich aufsässig, das Kind, dachte Großmutter. Die Hand des Vaters fehlt überall. Der wird’s ihr schon beibringen.
Kristina schien Recht zu behalten. Das Lächeln des Naczelnik blieb offenbar eine leere Hoffnung. Wochenlang warteten sie auf Nachricht. Großmutter empfing den Briefträger jeden Tag bereits vor der Haustür. Er brachte ein paarmal Post aus dem Westen, bunte
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