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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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er hatte von ihr geträumt, nie aber hatte er gewagt, ihr zu gestehen, wie sehr sie ihm gefiel. Im Ferienlager in Thüringen, auf einer Nachtwanderung, als ihr Lockenprinz nicht dabei war, weil er in Berlin arbeiten musste, hatte er es dann endlich gewagt, ihre Hand zu nehmen. Und sie hatte sie ihm gelassen! Wie war er da glücklich gewesen, obwohl die ganze lange Nachtwanderung über nichts weiter passierte, sie nicht mal miteinander sprachen und Mieze auf keine andere Weise ihre Zuneigung erkennen ließ. – Mieze mit den Katzenaugen hatte ihn für wert befunden, ihre Hand halten zu dürfen! Da konnte er ihr doch nicht ganz und gar unsympathisch sein; hatte er vielleicht doch eine Chance?
    Am nächsten Morgen hatte sie ihn angelacht wie einen Kumpel. Der Lockenprinz war unbesiegbar.
    Lila, eines der beiden Mädchen aus dem Iran, war noch frei. Sie hatte glänzende schwarze Haare und große braune Augen und schickte ihm Fotos und kleine Geschenke. Er traf sich mit ihr, wanderte mit ihr durchs Heimgelände, wurde mit ihr gesehen, und Lilas Freundinnen meinten, dass sie gut zusammenpassten. Nur fanden sie leider kein Gesprächsthema. Zwar sprach Lila perfekt Deutsch, irgendwie jedoch redeten sie immer aneinander vorbei. Was sie interessierte, interessierte ihn nicht, und umgekehrt. So gab er ihr eines Tages alle Fotos und Geschenke zurück und Lila soll tagelang geheult haben und ihre Freundinnen warfen ihm böse Blicke zu.
    Die blonde Monika, die zufälligerweise immer dann aus der Tür von Haus 3 trat, wenn er aus der Schule kam, war ja ganz nett, aber sie war erst dreizehn und er schon fünfzehn. Die »Schauspielerin« hingegen, ein Mädchen, das nicht besonders hübsch war, aber immer lachte, wenn man sie traf, und so herrlich freche Sprüche drauf hatte, war schon siebzehn. Da hatte ein Fünfzehnjähriger keine Chance.
    Dörte von der Krankenstation hatte ein Jungengesicht und musste ihm, als er mit Fieber dort eingewiesen worden war, jeden Tag Penicillin-Einheiten in den Hintern spritzen. Gleich war er in sie verliebt, und er gefiel ihr auch, aber er war ja immer noch erst fünfzehn und sie schon achtzehn oder neunzehn. Was hätte sie mit so einem Riesenbaby anfangen sollen?
    Eine große, ihn sehr verwirrende Liebesgeschichte erlebte Manne mit der schwarzen Lore aus der Baumschulenweger Nachbarklasse. Es begann in den Kartoffelferien; eine Woche Kartoffelnlesen im Oderbruch. Die beiden neunten Klassen schliefen auf Strohsäcken im ehemaligen Tanzsaal einer Dorfkneipe und zogen Morgen für Morgen auf den neblig trüben, oft von Nieselregen durchtränkten Herbstacker hinaus, um die Kartoffeln aus der feuchten Erde zu klauben und die vollen Kiepen auf den Pferdewagen der LPG zu entladen, der dort unermüdlich seine Runden zog. Für jede Kiepe gab es eine Papiermarke, jede Marke war zwanzig Pfennige wert. Das schwarzhaarige Mädchen mit dem Pferdeschwanz, den modernen Dreiviertelhosen und den lustig blitzenden Augen war ihm schon auf dem Schulhof aufgefallen; gleich beim ersten Abendessen saß sie ihm gegenüber und blickte ihn unentwegt an. Er fühlte sich nicht sehr wohl während dieses Kartoffeleinsatzes, trug er doch wieder seine Heimklamotten, weil er sich seine schwarze Popelinhose und das Sakko nicht verderben wollte, und wurde rot. Da lachte sie ihn an und schickte gleich nach dem Abendessen eine Freundin – mit der Botschaft, dass sie sich gern einmal mit ihm treffen wollte. Am besten noch an diesem Abend. Ob er auch wollte?
    Was für eine Frage! Diese Lore war das hübscheste Mädchen der ganzen Schule, sogar ein Schwuler hätte sich mit ihr treffen wollen.
    Sie kam dann auch sehr pünktlich und stundenlang wanderten sie über dunkle Feldwege und durch finstere Wälder, und er war so beeindruckt davon, dass sie sich für ihn interessierte, dass er quatschte und quatschte und nicht mal wagte, ihre Hand zu nehmen. Sie war dann auch schon bald nicht mehr ganz bei der Sache und unterbrach seinen Redestrom, indem sie ihn fragte, ob er nicht friere.
    »Nee!« Er nahm die Frage ernst. »Und du?«
    »Ja, es ist hundekalt. Sogar in meiner Hosentasche. Fass mal rein.«
    Sie trug schwarze Cordjeans, die hatten tatsächlich Taschen. Er griff hinein, spürte ihren warmen Schenkel und einen Strumpfhalter und zuckte erschrocken zurück.
    »Was ist denn? Haste vor irgendwas Angst?«
    Er schüttelte nur stumm den Kopf, und dann nahm er tapfer ihre Hand und quasselte weiter über alles Mögliche. Als er verstummte, begann

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