Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
Vom Netzwerk:
und hinter Rönnebeck verschob sich endgültig die Zeit; Kiefer- und Heideflecken lagen wie einst, um die Bauernhöfe dieselben Eichen, und dann tauchte linker Hand die Gaststätte auf. Willem setzte den Blinker und bog in die alte Sielstraße. Vor dem heruntergekommenen Hof dampfte ein Misthaufen, und der Kettenhund schlug an. Bald erschien der Bunker, ein hypertrophierter Geist, und Willem rollte den halben Kilometer. Birken wuchsen aus der Schale, und Dohlen lachten in den Nischen.
    An der Bucht stieg er aus. Der Wind hatte zugelegt, der Fluß war breit und schwarz, und wenn ein Dampfer dagegen stampfte, brachen die Wellen auf. Er knöpfte die Jacke zu, schlug den Kragen hoch und marschierte auf dem Deich. Schlosser, dachte er, und später erschienen die Reste der Kate, als wären Dekaden ein Wimpernschlag. Bald standen die Sterne über der Wurt, und er holte den Haschklumpen hervor.
    Zu Hause entkorkte er beide Franzosen, legte den Klumpen auf den Tisch und sagte: Wir sind so fragil.
    Seine Frau sah ihn an und lächelte. Bist du stoned?
    Ich produzier nutzlosen Samen. Und danach bin ich auf die Wurt gefahren. Feiern.
    Er holte Gläser und schenkte ein.
    Du spinnst!
    Komm schon, und er hob an.
    Der Lafite war außerordentlich gut, und Barbara ließ gleich einen zweiten Schluck zergehen. Dann kam sie aufs Sofa und nahm ihn in den Arm.
    Ich kann mir den Eingriff schenken, und wenn mans streng nimmt, habens die Alten verbockt.
    Wie?
    Er lachte und erzählte. Danach tauchte er seine Nase ins Glas, zog das Bukett und nahm mit geschlossenen Augen einen langen Schluck.
    Barbara streichelte seinen Kopf. Er ist so weich, sagte sie.
    Und du?
    Ich?
    Wenn die Hormone den Wunsch nach Kindern ausschütten?
    Sie sah ihn an und streichelte seinen Kopf. Dann ging sie zum Plattenspieler und legte die Neue-Welt-Symphonie auf. Kam mit Papier zurück, baute einen Joint, und als das zweite Allegro einsetzte, brannten sie das Ding an.
    Sie nahm sein Gesicht in die Hände und küßte ihn. Ich liebe dich. Und dann: Ich will es haben.
    Das nutzlose Zeugs?
    Die Tage kam die Mutter in sein kleines Büro. So geht das nicht weiter, sagte sie.
    Willem breitete die Arme aus.
    Wir sind kein Teilzeitunternehmen.
    Aus, sagte er. Vorbei. Die Hartmann-Kronhardt-Linie ist eine Sackgasse. Und er machte ein hilfloses Gesicht.
    Bitte wie, sagte die Mutter.
    Kein Stammhalter.
    Die Mutter schnappte.
    Eure Chromosomen waren nicht in Ordnung. Ihr habt einen unfruchtbaren Sohn gezeugt.
    Und die Mutter schnappte. Dann stand sie auf und machte eine Bewegung, als wollte sie sagen: Diese Brust hat dich gesäugt!
    Willem saß da. Halbe Zeit. Mehr könne er nicht geben. Und hilflos hob er noch einmal die Arme. Ein ererbter Defekt, wie gesagt.
    Die Mutter zitterte, und dann kam es aus ihr heraus. Wie Dauerfeuer, und Willem wischte sich die Tröpfchen aus dem Gesicht.
    Der Schwung ihrer Wirbelsäule war kraftvoll, das Haar wie eine Krone. Und während sie auf ihn feuerte und noch seine Erinnerungen an den Vater schändete, konnte Willem sehen, wie es in ihr zerrte. Wie die Eingeweidemuskulatur ihren Mund hart machte, ein unumkehrbarer Vorgang, meinte er, und wenn er die Tröpfchen von den Lippen wischte, schmeckte er die Bitterkeit.

33
    Im neuen Jahr hockten die Alten über Entwürfen zur Zukunft. Die Stickerei sollte vergrößert und modernisiert werden, und sie arbeiteten an Konzepten, berechneten Kapazitäten und hatten diverse Gespräche mit Bankdirektor Lasalle. Sie stellten Prognosen auf, zogen Schlüsse, und als ihr Plan entwickelt war, bestellten sie Barbara ein und offenbarten sich.
    Befriedigt saßen sie da, ein Vollblutgespann, das mit allen Erfahrungen für die Zukunft gerüstet war, und aus ihrem beinah milden Ausdruck sprang das unzweifelhafte Wissen, daß die neue Generation noch eine Menge zu lernen hätte.
    Barbara saß da und hörte zu. Und als die Alten die Hände falteten und sich zurücklehnten, fackelte sie nicht lange.
    Vergrößerung und Modernisierung seien die richtige Marschroute, sagte sie. Aber der Plan dazu sei falsch. So ein Plan müsse ganzheitlich auf die Zukunft ausgerichtet sein, und sie hielte es für klug, Produktion und Verwaltung neu zu strukturieren. Für die Produktion, meinte sie, eigne sich am besten ein subventionierter Neubau in einem dieser neuen Gewerbegebiete. Verwaltung und Kundenbetreuung müßten jedoch in

Weitere Kostenlose Bücher