Kubu und der Tote in der Wueste
Schoßhunden. Marcel bot ihr Schutz, Gesellschaft und Unterhaltung.
Als sie am Robberg Beach am Haus der Hofmeyrs vorbeijoggte, empfand Pat Schuldgefühle, weil sie früher immer so neidisch auf dieses Haus gewesen war. Es thronte auf seiner hohen Düne, und die geschwungenen Patios strebten eher nach dem ultimativen Ausblick als nach architektonischer Eleganz. Sie war Dianna Hofmeyr nur einmal begegnet und hatte sie recht sympathisch gefunden. Pat konnte sich vorstellen, wie sehr sie jetzt litt, zwei Tage nach dem Verschwinden ihres Bruders. Diese Qual der Ungewissheit!
Eine halbe Meile weiter wurde Pat müde. Normalerweise hätte sie sich jetzt kurz ausgeruht und wäre dann schwimmen gegangen. Marcel hätte geduldig gewartet, bis sie wieder herauskam. Längst hatte er festgestellt, dass er das Meer nicht mochte und dass sein Frauchen nicht erbaut war, wenn er es daraus retten wollte. Aber an diesem Morgen verlangsamte sie nur ihre Schritte und spazierte weiter. Das Meer sah nicht gerade einladend aus.
Marcel holte auf und rannte an ihr vorbei. Eher enthusiastisch als elegant rollte er sich über den Strand. Das Fell voller Sand, schüttelte er sich, setzte sich hin und hechelte mit heraushängender rosa Zunge. Als Pat ihm zulachte, wedelte er mit seinem Puschelschwanz. Dann folgte er wieder ihren Spuren. Plötzlich schoss er los und flitzte über den Strand. Wieder lachte Pat. Sie wusste, worauf er aus war. Seine größte Freude war es, die Möwen zu jagen, und ein Stück weiter saßen drei Exemplare mit schwarzen Rücken. Wie immer flatterten die Möwen auf, als sich Marcel näherte, doch der Hund schien plötzlich jegliches Interesse an ihnen verloren zu haben. Er schnüffelte an einem Stück grauem Treibholz, das an der Stelle lag, wo sie gesessen hatten. Pat nahm an, dass er männliche Konkurrenz erschnupperte. Aber dann nahm er das Stück Holz ins Maul und hob es hoch. Je näher Pat kam, umso weniger sah es nach Treibholz aus, und langsam ahnte sie, was es war.
»Marcel! Aus! Hierher!«, rief sie. Obwohl der Hund nicht besonders gut erzogen war, reagierte er auf den Tonfall ihrer Stimme. Er ließ seinen Fund fallen, doch anstatt zu ihr zu laufen, setzte er sich daneben. Jetzt erkannte Pat genau, was er im Maul gehabt hatte. Es war der Teil eines menschlichen Unterarms, an dem noch die Hand hing, grau und vom Meerwasser aufgedunsen. Die Möwen mussten daran herumgepickt haben, und vielleicht hatten auch schon die Fische daran geknabbert. Doch einige der Wunden sahen tiefer aus. Vielleichtstammten sie von anderen Hunden. Von plötzlicher Übelkeit übermannt, rannte sie hinter die Büsche am Strand und übergab sich. Danach fühlte sie sich besser. Sie spülte sich den Mund mit Meerwasser aus, schmeckte intensiv das Salz. Nachdem sie ein paar Mal tief Luft geholt hatte, suchte sie in ihrer Gürteltasche nach ihrem Handy.
Pat schlang sich das Handtuch um die Schultern, denn ihr war plötzlich kalt. Sie setzte sich mit dem Rücken an eine Düne und wartete auf die Polizei. Marcel bellte, als sie kamen, um ihm seine Trophäe wegzunehmen. Bakkies stemmte sich von seinem Stuhl hoch, um die Hofmeyrs zu begrüßen.
»Ms Hofmeyr. Danke, dass Sie gekommen sind. Mir ist klar, wie schmerzlich das für Sie sein muss.«
Dianna nickte ihm zu. »Inspector Swanepoel, das ist meine Mutter, Pamela Hofmeyr. Sie ist gestern aus London eingeflogen. Ich habe sie gebeten, mich zu begleiten.«
»Natürlich. Sehr aufmerksam von Ihnen. Wie geht es Ihnen, Mrs Hofmeyr? Es muss ein furchtbarer Schock für Sie sein.« Pamela Hofmeyr sah aus wie Ende fünfzig, sie war hochgewachsen und immer noch schön. In ihrer Jugend musste sie atemberaubend gewesen sein. Sie besaß die Figur einer Tänzerin und die Gesichtszüge einer klassischen Statue. Sie reichte dem Polizisten kurz die Hand, ignorierte aber seine Beileidsbezeugung.
»Würden Sie uns die ...« Dianna zögerte. »Angus’ Hand zeigen?«
»Nein, ich glaube, das wird nicht nötig sein. An den Fingern der Hand waren zwei Ringe. Ich möchte, dass Sie beide sie sich ansehen. Ihr Bruder hatte keine besonderen Kennzeichen an seinem linken Vorderarm, oder?« Beide Frauen schüttelten den Kopf. »KeineTätowierungen oder etwas Ähnliches?« Dianna schüttelte wieder den Kopf, aber Pamela Hofmeyr sprach zum ersten Mal. »Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte sie. Ihre Stimme war melodisch, ihr Ton herablassend. Swanepoel nickte nur.
Er öffnete die oberste Schreibtischschublade
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