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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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das Telefon eine ganze Weile geschwiegen, so lange, dass ich darüber eingeschlafen war. Irgendwann in der Nacht tschilpte dann eine SMS in meinen Traum, und am nächsten Morgen standen auf dem Display die Worte: »Ich habe mit Anouk gesprochen. Wenn es dir wichtig ist, dann komm. Aber erwarte nichts. Freitag um neun? Ich freu mich auf dich.«
    â€“Meine Güte. Wenn uns das mal nicht überfordert.
    â€“Natürlich wird es das.
    â€“Ja, sagt das Herz. Natürlich wird es das. Aber wir provozieren es ja auch.
    â€“Ach, komm. Die Nummer mit Phillip haben wir doch auch gut über die Bühne gebracht.
    â€“Richtig. Das war aber auch zu erwarten. Den haben wir uns damals schließlich schnell und reibungslos wie ein altes Pflaster von der Seele gezogen.
    Das stimmt. Phillip zu verlassen war keine große Kunst. Ihn wiederzutreffen auch nicht. Max zu verlassen war schon höhere Schule. Und Jonathan zu verlassen wäre dagegen ein echtes Kunststück.
    â€“Ach, mein Herz … Früher ging das mit dem Verlassen auch irgendwie leichter.
    Ich muss an Ilya denken, meine Jugendliebe, von dem ich mich sehr leichtfüßig getrennt habe, nachdem mir ein australischer Surflehrer über den Weg gelaufen war. Kurz danach trennte mich von dem ein ganzer Kontinent. Ich habe schon Beziehungen beendet, weil ich Männer nicht mehr riechen, ansehen oder ficken konnte. Habe ich diesmal einfach vergessen, mich zu trennen? Oder es zu oft verschoben? Oder ist Jonathan jetzt einfach der Mann, bei dem mir die Trennungsgründe ausgehen?
    Und während ich so in Gedanken bin, passiert mir genau das, was ich normalerweise bei unseren Kunden beobachte. Als ich die unterste Küchenschublade aufziehe und die dicke, gusseiserne Pfanne heraushole, falle ich in eine sekundenlange Starre. Um mich herum füllt sich die Küche mit dem Geruch nach heißem Fett. Plötzlich kann ich die Reibekuchen auf dem Herd brutzeln hören. Meine Großmutter, auch nach so vielen Jahren in Hamburg im Herzen noch immer eine Kölnerin, machte, seit ich mich erinnern kann, einmal im Monat »Rievkooche-Tag«. Dann holte sie die dicksten Kartoffeln aus dem Keller, hobelte sie auf einen riesigen Haufen, gab Unmengen Zwiebeln hinzu und presste den Zwiebel-Kartoffel-Berg durch ein Leinentuch. Sie schloss die Küchentür, öffnete das Fenster und setzte ihre Pudelmütze auf, damit sich der Fettgeruch nicht in ihren Haaren festsetzte. Und dann briet sie, stundenlang und einer Heldin gleich, die besten und knusprigsten und heißesten Reibekuchen in ganz Norddeutschland. Ich hasste und liebte die Dinger, fühlte man sich doch nach dem Verzehr, als hätte man eine halbe Flasche Öl ausgetrunken.
    Meine nachkriegsgeplagte Großmutter verstand meine Probleme nicht. »Fett ist doch was Gutes«, versuchte sie mich zu überzeugen und haute noch ein Extrastückchen Butter in die heiße Pfanne. Ich nahm einen Esslöffel, fischte das halb aufgelöste Stück schnell wieder heraus und gab es ihr zurück. Ȇbertreib mal nicht.«
    Einen Moment stand sie regungslos da, die Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen, den Löffel mit der warmen Butter in der Hand, in ihren Augen eine Mischung aus Unsicherheit und Verzweiflung. Wohin mit der angeschmolzenen Butter? Zurück in der Pfanne wollte ich sie nicht. Zurück in der Butterschale wollte sie sie nicht. Kurz schaute sie in Richtung Mülleimer. Aber Butter wegschmeißen, das brachte ihre Generation nicht übers Herz. Und dann steckte sie sich in einem Reflex, den ich mir einzig und allein als Übersprungshandlung erklären kann, das warme, weiche Butterstück in den Mund und schluckt es herunter.
    Als sich die Wohnungstür öffnet, schlägt mir eine unbekannte Welt entgegen. Eine wohltemperierte Welt in zarten Beerentönen, eine uteruswarme Welt, eine Welt, die leicht nach Grießbrei riecht. Mitten in dieser Welt steht Max. Wie hineingebeamt aus unserer gemeinsamen Zeit in diese fremde norddeutsche Altbauwohnung. Und als hätte es nur auf den unpassendsten Moment gewartet, meldet sich sofort das Herz.
    â€“Wir müssen ihm helfen.
    â€“Wie bitte?
    â€“Der gehört da doch gar nicht hin.
    â€“Und jetzt?
    â€“Sag was! Etwas, das Vertrauen herstellt! Er muss doch ganz verunsichert sein in dieser fremden Umgebung.
    â€“Ist er nicht. Guck doch mal.
    Max lächelt selbstbewusst. Er ist groß und

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