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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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Mädchen.
    â€“Leben hatten wir doch jede Menge in den letzten Wochen.
    â€“Na toll. Fremdes Leben vielleicht. Ich will aber ein eigenes.
    â€“Aber wir sind doch jetzt fast durch mit der Liste …
    â€“Ach, die Liste. Ich mach dir ’nen Strich durch deine verdammte Liste.
    â€“Was soll das heißen?
    â€“Das soll heißen, ich bin raus. So wird das nämlich nix. Du kannst einfach nicht lockerlassen.
    â€“Das werden wir ja sehen, antworte ich dem aufgebrachten Herzen und versuche, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Gespielt gelangweilt lösche ich die Nachrichten auf der Mailbox, putze meine Zähne und gehe ins Bett.
    Dort liege ich, Stunde um Stunde, und verbiete mir, auch nur einen einzigen Satz an das Herz zu richten. Das Herz für seinen Teil schweigt zurück. Es sitzt nicht mehr richtig. Die halbe Nacht rutscht es in meiner Brust hin und her und strahlt seinen Schmerz durch meinen Körper.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, lächelt mir mein analoger Wecker auf dem Nachttisch direkt ins Gesicht. Es ist zehn nach zehn, die Uhrzeit, auf die Interiordesigner Uhren stellen, wenn sie Dekorationszwecken dienen sollen: Der kleine Zeiger zeigt auf die zehn, der große Zeiger zeigt auf die zwei, und so stehen beide Zeiger in einem Winkel zueinander, der einem lächelnden Mund gleicht.
    Ich lächle gekünstelt zurück, schaue zur Seite, und dabei fällt mein Blick auf die Liste. Die Männerliste. Die meisten Namen habe ich damals mithilfe des Herzens durchgestrichen. Übrig geblieben waren nur Max, Ilya und Clemens. Ich nehme einen Stift und setze einen Haken hinter die Namen von Max und Ilya. Ich starre eine Weile auf den Zettel. Das Herz in meiner Brust gibt keinen Ton von sich. Dann ziehe ich einen Kringel um Clemens.
    Eigentlich ist es seltsam, dass das Herz vor ein paar Wochen nicht kalt geblieben ist, als ich seinen Namen vorgelesen habe. Ich war noch keine zwanzig, als ich ihn kennenlernte, und nur ein paar Tage älter, als unsere Wege sich wieder trennten. Aber das Herz liebt eben schicksalhafte Begegnungen.
    Es war Frühling, und die Kölner Innenstadt war voller einkaufswütiger Menschen, denen die ersten Sonnenstrahlen eingeflüstert hatten, dass es nun Zeit sei, die Blümchenkleider und kurzen Hosen aus den Geschäften zu klauben. Es muss kurz nach der Geschichte mit Ilya und dem Surflehrer gewesen sein, die Abiturfeiern waren schon gelaufen, und ich war dabei, meine Koffer für Hamburg zu packen.
    Ich weiß nicht mehr, was ich auf der Schildergasse zu tun hatte; vielleicht hatte auch mich die Sehnsucht nach einem Blümchenkleid gepackt. Woran ich mich erinnere, ist, dass ich mich noch ein paar Minuten vor dem Dom in die Sonne setzen wollte, bevor ich in die U-Bahn nach Hause steigen würde. Und ich erinnere mich an den Einfallswinkel der Sonne, sie stand tief, und sie blendete mich. Ich blinzelte und ich lächelte, und plötzlich stand da dieser Typ mit Rucksack im Sonnenschein und blinzelte und lachte zurück. Er lief die drei Stufen zu meiner Bank hoch, zog seine Mütze aus und sprach mit mir. Das Besondere dabei war, dass er mich nicht ansprach, er sagte keinen Spruch auf, stellte sich nicht mit Namen vor oder fragte nicht, ob er sich zu mir setzen dürfe. Er sprach mit mir, als würden wir uns schon seit Jahren kennen, als wären wir hier verabredet gewesen, oder vielmehr, als hätten wir uns ein paar Minuten zuvor zusammen auf diese Bank gesetzt, und er wäre nur eben kurz weg gewesen, um sich einen Kaffee zu holen.
    Ich antwortete ihm mit ruhiger Stimme und einer Selbstverständlichkeit, von der ich nicht wusste, woher sie kam. Sie war einfach da. Irgendwo im Universum hatte etwas mit der Wimper gezuckt, die Zeit hatte sich um einen Millimeter verschoben, und die Erde drehte sich so, dass die Sterne plötzlich auf uns zeigten. Irgendetwas in der Welt hatte beschlossen, dass wir jetzt und hier aufeinandertreffen sollten.
    Clemens wohnte in Lüneburg und kam gerade von einer Reise quer durch Europa. Er war mit wenig Geld von Hamburg nach Rom geflogen, von dort aus nach Marseille, Paris und Maastricht gereist. Köln war seine letzte Station, und eigentlich hatte er nun wirklich genug von der Welt gehabt. Er hatte nach Hause gewollt und war kurz davor gewesen, seinen halbstündigen Aufenthalt auf dem Bahnsteig abzusitzen, weil er keinen einzigen weiteren Eindruck einer neuen Stadt

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