Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
hatten die Chinooks eine vernichtende 3:4-Niederlage gegen Detroit erlitten. Spiel fünf der Serie war schon in zwei Tagen, und Faith ging davon aus, dass Ty die vollen zwei Tage bräuchte, um sich von einem brutalen Schlag zu erholen, den er in der neutralen Zone vom Detroiter Guard Darren McCarthy abbekommen hatte.
Wenige Spielzüge später hatte Ty McCarthy in der Spielfeldecke so hart attackiert, dass der Red Wing auf dem Eis zusammengebrochen war. »McCarthy hat mich mit gesenktem Kopf erwischt«, hatte Ty später am Abend der Presse erklärt. »Und ich ihn mit dem Puck.«
Später konnte sich Faith mit eigenen Augen vom Ausmaß von Tys Prellungen überzeugen. Seine rechte Seite war mit schwarzblauen Flecken übersät, sein Rücken und sein harter Bauch waren rot. Es sah aus, als wäre er mit einem Baseballschläger verprügelt worden statt von einem Eishockeyguard. Ty war übel zugerichtet und hatte Schmerzen, und wenn sie sich in den nächsten Tagen liebten, war Faith so rücksichtsvoll, auf ihn zu steigen.
Bis Spiel fünf waren Tys Verletzungen ein wenig verheilt, und den Chinooks gelang ein 3:1-Sieg vor eigenem Publikum.
Spiel sechs fand dann wieder in Detroit in der Joe-Louis-Arena statt und ging in die doppelte Verlängerung. Drei Sekunden vor Ablauf der Zeit schoss Daniel ein Tor, und die Chinooks rückten in die Endrunde vor, in der sie gegen die Pittsburgh Penguins um den Pokal kämpfen mussten.
Noch ganz high vom Sieg und dem Erreichen des Finales ging die Mannschaft an Bord der BAC 1-11 und ließ die Korken knallen. Nachdem der Jet Reisefluggeschwindigkeit erreicht hatte, erhob sich Coach Nystrom und zog wegen seiner Größe den Kopf ein. »Vor zwei Monaten, als Virgil Duffy starb«, begann er, als endlich Ruhe eingekehrt war, »waren wir alle besorgt, wie sich die neue Leitung der Mannschaft auf unsere Pokalchancen auswirken würde. Jede Veränderung gibt Anlass zur Sorge. Nach dem heutigen Abend können wir wohl mit Sicherheit sagen, dass Mrs Duffy eine würdige Nachfolgerin von Virgil ist. Ich glaube, er wäre stolz auf sie, und wir heißen sie ganz offiziell in der Mannschaft willkommen.« Er wandte sich nach links zu Darby, der ihm ein dunkelblaues Trikot reichte. Er hielt es ihr hin, damit sie sah, dass über der Schulterpartie in großen dunkelgrünen Lettern ihr Name, DUFFY, und auf dem Rücken die Nummer eins prangten. »Hiermit begrüßen wir offiziell das neueste Mitglied der Chinooks.«
Faith stand auf, trat in den Gang und nahm gerührt das Trikot entgegen. »Danke, Coach.« Sie drehte sich um und sah in die ungepflegten Gesichter, auf die Bärte der Jungs, die inzwischen vom Neandertalerstil bis zum lückenhaften Flaum reichten. Sie fing Tys Blick auf, dessen Mundwinkel ein seltenes Lächeln umspielte. Ihr Herz zog sich zusammen, in ihren Augen brannten Tränen, aber sie wollte nicht weinen. »Als ich erfuhr, dass Virgil mir seine Eishockeymannschaft hinterlassen
hatte, war ich genauso fassungslos wie ihr alle. Ich hab mir genauso große Sorgen gemacht wie alle, dass die Verantwortung zu groß für mich wäre und ich alles vermasseln würde.« Sie schluckte und hängte sich das zusammengelegte Trikot über den Arm. »Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich es mit Hilfe meines Assistenten und aller anderen ganz gut hingekriegt hab. Ich bin stolz auf euch, und ich weiß, dass Virgil auch stolz auf uns ist.« Sie dachte, sie sollte eine Art inspirierende Rede halten, doch vor ihren Augen verschwamm alles. »Danke«, krächzte sie, bevor sie sich noch in Verlegenheit brachte, indem sie vor den Jungs heulte. Für den Rest des Heimflugs saß sie neben Jules und wünschte, sich auf Tys Schoß kuscheln und ihr Gesicht an seinem Hals vergraben zu dürfen.
Um drei Uhr morgens, als sie ein schwarzer BMW vor ihrem Penthouse abholte, trug sie das neue Trikot unter ihrem Regenmantel. Diesmal hatte sie jedoch Dessous und Wäsche zum Wechseln in ihrer Louis-Vuitton-Hutschachtel dabei.
In den nächsten fünf Tagen, bis zum ersten Spiel gegen die Penguins, verfielen sie in eine angenehme Routine, als wären sie ein richtiges Paar. Ty trainierte tagsüber, während Faith sich Videobänder von jungen Spielern ansah oder sich mit Miranda Snow von der Chinooks-Stiftung traf. Sie aß mit Jules oder ihrer Mutter zu Mittag, und abends fuhr sie entweder zu Ty oder er kam zu ihr, was von Valeries und Pavels Plänen abhing. Das einzige Lebewesen auf Erden, das von Tys und Faiths heimlicher Beziehung wusste,
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