Küsse im Mondschein
wissen, ob es stimmt, dass Ihr im Auftrag der Britischen Regierung mit den Maharadschas verhandelt habt?«
Martin zögerte, dann neigte er den Kopf. »Nur in ganz bestimmten Angelegenheiten.«
»Und musstet Ihr dazu weite Reisen auf dem Subkontinent unternehmen?«
»Seid Ihr dabei etwa auch den Pathanenkriegern begegnet? Sollen ja ganz schreckliche Gesellen sein, wie ich gehört habe.«
Nun denn, so viel also zum Wetter. Amanda stand schweigend da, während Martin sich bemühte, die Fragen und Erkundigungen zu seinen Aktivitäten in Indien zu parieren. Unterdessen versuchte sie, sich ganz darauf zu konzentrieren, das dringendste Problem zu lösen, was nämlich Martin mit diesem letzen Vorstoß auf sie wohl beabsichtigte. Doch sie konnte sich jetzt beim besten Willen nicht mit dieser Frage beschäftigen. Weitere Gentlemen gesellten sich zu ihrem Kreis dazu, angezogen von den überaus lebhaft klingenden männlichen Stimmen und der angeregten Gesprächsatmosphäre.
»Mein Cousin steht dort unten auch im Dienste der Ostindischen Kompanie - er schrieb, dass Ihr innerhalb der Kompanie geradezu als Held verehrt würdet.«
»Und ich habe gehört, dass Ihr dem Maharadscha von Rantipopo ohne großes Aufhebens die Erlaubnis entlockt habt, uns mit seinen Smaragden handeln zu lassen.«
Bei derlei Erwähnungen spitzte Amanda dann wieder die Ohren und merkte sich alles, was sie hörte. Sie fügte die Informationen dem Sammelsurium an Wissen hinzu, das sie bereits über Martin hatte zusammentragen können - um es später noch einmal einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
»Habt Ihr eigentlich jemals einen von deren Harems besucht?« Laut übertönte die wissbegierige Frage des jungen Mr. Wentworth die ersten vom Orchester angestimmten Walzerklänge.
Martin lächelte Mr. Wentworth lediglich knapp zu, dann wandte er sich zu Amanda um, wobei sein Lächeln ein wenig herzlicher wurde. »Wenn mich nicht alles täuscht, dann stimmen die Musiker gerade den ersten Walzer an.« Mit einem Nicken deutete er auf die Orchideen, die Amanda in der Hand hielt.
Sie senkte den Blick, schaute ebenfalls auf die Blumen, und dann erinnerte sie sich wieder.
Leise hörte sie ihn sagen: »Und da Ihr mir nun schon die Ehre erwiesen habt, meine kleine Aufmerksamkeit zu tragen, gehe ich davon aus, dass Ihr mir nun wohl auch das Vergnügen dieses Tanzes mit Euch gewährt.«
Martins Worte an Amanda waren keineswegs als Frage zu verstehen, und gebieterisch nahm er ihr die Orchideen aus der Hand. Mit einem leicht verkrampften Lächeln auf den Lippen schaute sie zu ihm auf - denn da er ihr soeben die Blumen abgenommen hatte, war ihre Hand nun wieder frei, und damit musste sie ihm diese wohl oder übel zum Tanz reichen. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Mylord.« Dann riss sie in gespieltem Erstaunen die Augen auf. »Ich hoffe doch, Ihr könnt überhaupt Walzer tanzen, oder etwa nicht?«
Mit einem barbarischen Lächeln schloss er seine Finger um die ihren. »Das entscheidet Ihr wohl am besten selbst.«
Amanda wusste zwar, dass er tanzte wie ein Gott, doch sie wollte, dass die anderen Anwesenden dachten, sie und Martin wären sich noch nie begegnet. Sie musste ihm nun also notgedrungen erlauben, sie auf die Tanzfläche zu führen. Und sie musste sich im Angesicht der kompletten besseren Gesellschaft Londons von ihm in die Arme schließen lassen - vor einer Menge extrem neugieriger Augen.
»Was tust du hier?« Obwohl Amanda lächelte, während sie sprach, schaffte sie es, ihren Worten einen ärgerlich zischenden Unterton zu verleihen.
Doch Martin erwiderte ihren Blick ganz gelassen, während sie begannen, sich langsam im Kreis zu drehen. Die Mundwinkel leicht nach oben verzogen, erwiderte er: »Ich habe soeben die Regeln geändert.«
»Welche Regeln?«
»Die Regeln unseres Spiels.«
Das konnte nichts Gutes verheißen, nicht von dem Standpunkt aus betrachtet, an dem Amanda sich gerade befand: umschlungen von seinen Armen und genau in der Mitte eines der Ballsäle der gehobenen Gesellschaft.
Zwar hatte sie durchaus erwartet, dass er heute Nacht hier erscheinen würde - die Orchideen waren eine eindeutige Warnung gewesen. Doch sie war davon ausgegangen, dass er, wie schon so oft, irgendwann wie aus dem Nichts und bloß ganz am Rande der Menge vor ihr auftauchen würde. Und dass er sie von dort aus wieder zu einem seiner kleinen Verstecke entführen würde, wo sie ihre »Diskussion« über eine eventuelle Heirat würden fortsetzen können.
Was
Weitere Kostenlose Bücher