Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
ging der Verein dann baden.
Aber heute,
bei Sonne und einer leichten kühlen Brise aus Nordost, konnte man von der frisch
renovierten Terrasse des Yachtclubs einen prächtigen Blick über die Kieler Förde
genießen. Angenehmer kann man den Sommer kaum erleben, sagte sich Stuhr. Der grandiose
Ausblick auf die vielen Segelboote, Fähren und Schiffe in der Innenförde bestätigten
ihm, an seinem Wohnsitz in Kiel festzuhalten. Jenny aus Hamburg müsste schon klein
beigeben, wenngleich sich diese Frage zurzeit nicht stellte.
Bei seinem
Spaziergang am Hindenburgufer bemerkte Stuhr, dass die Villen am Straßenrand bisweilen
bis zum Vierfachen mutiert waren. Auch die Privatschule Düsternbrook hatte angebaut.
Heute Nachmittag sollte die feierliche Eröffnung stattfinden.
Die Musik
einer Schülerband lockte auf den Schulhof. Früher hatte er dort oft seine erste
Schülerliebe abgeholt. Heute bevölkerten zahlreiche Schüler und Erwachsene das Gelände.
Eine von den Schülerinnen musste Sophie sein.
Die Eröffnungsfeier
hatte gerade begonnen, zahlreiche Reden wurden gehalten. Jüngere Schüler standen
mit Luftballonen ungeduldig hinter der Absperrung. Nach der letzten Rede brandete
Beifall auf, und dann wurde endlich das Absperrband durchschnitten. Die Kinder ließen
die Ballone steigen und strömten mit den Erwachsenen in den Neubau.
Stuhr ließ
sich mitziehen. Die neuen Klassenräume wirkten großzügig, kein Vergleich zu den
Schulbauten seiner Jugend. In der Aula waren die Tische eingedeckt, und es wurde
Kaffee und Kuchen verkauft.
In der Nähe
stand eine Aufsichtsperson, die unschwer als Lehrer zu identifizieren war. Stuhr
näherte sich und blickte interessiert auf den Schulhof, bevor er die Lehrkraft ansprach.
»Entschuldigen Sie. Können Sie mir bitte verraten, wo die Schülerin Sophie Rieder
steht?«
Der Lehrer
musterte ihn prüfend. »Warum wollen Sie das denn wissen?«
Warum? Stuhr
fiel nichts ein. »Weil ich der Vater bin«, rutschte es aus ihm heraus. Das ›vielleicht‹
verschluckte allerdings seine Zunge.
»So, so.
Sie sind also Sophies Vater. Ihre Tochter spielt gleich wieder mit der Schulband.
Sie schauen genau in ihre Richtung. Erkennen Sie sie nicht?«
Stuhr suchte
fieberhaft nach einer Ausflucht. »Ich habe meine Brille vergessen. Ärgerlich.«
Der Lehrer
schien sich zu amüsieren. »Das ist wirklich ärgerlich, Herr Rieder. Aber Sophie
ist ja kaum zu überhören. Sie steht ganz links auf dem Podest und bläst die Trompete.
Soll ich Sie zu ihr hinführen?«
Stuhr winkte
ab. »Nein, nein. Bitte keine Umstände. Ich möchte die Aufführung in keinster Weise
stören. Vielen Dank.«
Der Lehrer
nickte und wandte sich nun der Vorführung der Schülerband zu.
Jetzt konnte
Stuhr die Tochter von Angelika zum ersten Mal genauer in Augenschein nehmen. Die
kleine Sophie hatte im Gegensatz zu ihrer Mutter hellblonde Haare. Ihre Mimik wirkte
liebenswert verschmitzt. Sie schien den Schalk im Nacken zu haben, weil sie zwischen
ihren Trompeteneinsätzen immer wieder Faxen machte.
Unglücklich
wirkte sie nicht. Es fiel Stuhr schwer, sich ein gemeinsames Wochenende mit der
manchmal anstrengenden Jenny und der lustigen Sophie vorzustellen. Das könnte mehr
als turbulent werden.
Stuhr schreckte
auf, denn nach dem Ende des Vortrags der Schülerband steuerte die Lehrkraft direkt
auf Sophie zu. Heiße Schauer liefen Stuhr über den Rücken, eine direkte Gegenüberstellung
mit Sophie wollte er zu diesem Zeitpunkt unbedingt vermeiden.
Klammheimlich
machte er sich aus dem Staub.
Tagesgeschäft
Direktor Bergfeld schaute enttäuscht
auf sein Handy. Jelena hatte sich immer noch nicht bei ihm gemeldet. Für sie nahm
er schließlich die ganzen Strapazen auf sich.
Es war alles
nicht so einfach, selbst im Betrieb fühlte er sich nicht mehr richtig wohl. Im Gegensatz
zu früher, als er unangefochten mehr oder weniger machen konnte, was er wollte,
fühlte er sich nach dem Verhör unter ständiger Beobachtung.
Alle Mitarbeiter
schienen nur noch darauf zu achten, mit welchen Einkaufstüten er aus der Stadt in
die Firma zurückkehrte. Stets schnellte der Telefonhörer des Pförtners hoch zu seinem
Ohr. Informierte er seine Stellvertreter oder irgendwelche Abteilungsleiter?
Bergfeld
musste mit allem rechnen. Der Pförtner musste weg, so schnell es nur ging. Eigenleben
in Unternehmen muss sofort unterbunden werden. Das ist eine alte überlieferte Weisheit,
die sich schon zigfach bewährt hatte.
In solchen Momenten
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