Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
nach draußen, die aber selten von Belang waren, sondern sich lediglich um die Begrüßung, das Lamentieren über das Wetter oder die Entrüstung über die Langsamkeit des friesischen Verkaufspersonals drehten. Die Küchentür sprang auf, und die eisige Kälte, die ihr in den Kleidern hing, drang mit ihr herein.
»Madonna! Ihr seid schon da! Damit hatte ich nicht gerechnet! Enrico, sonst hast du immer wenig Zeit, wenn du einen Mordfall bearbeiten musst! Warum seid ihr heute so früh?« Natürlich wartete sie die Antwort nicht ab, warf ihre dicke Jacke über einen Stuhl, stieß Dankesworte hervor, als Erik sie nahm und in der Diele an die Garderobe hängte, und drängte Sören dazu, Platz zu nehmen, damit er aufhörte, anzubieten, sein Abendessen in Form eines Fischbrötchens bei Fisch-Blum einzunehmen, um die Schwiegermutter seines Chefs nicht zu großer Eile zu zwingen.
»Che sciocchezza, Sören! Sie bleiben natürlich hier!«
Erik gelang der Einwurf, dass Dr. Hillmot sich zum Abendessen angekündigt hatte. Zu dem Angebot, den Gerichtsmediziner telefonisch wieder auszuladen, kam er jedoch nicht.
»Madonna! Der isst doch immer so viel! Aber es wird schon gehen!«
Während sie Paprikaschoten, Zucchini und Auberginen aus dem Kühlschrank holte und ihr einfiel, dass es noch Kabeljaufilets in der Tiefkühltruhe gab, formierte sich in ihrem Kopf bereits eine Menüfolge. »Ich mache eine Fisch-Nudel-Pfanne, das geht molto veloce! Marinierte Antipasti sind noch genug im Haus, und das Ciabatta schneide ich auf und toaste die Scheiben im Ofen. Ecco, für die Vorspeise ist also gesorgt. Während ihr sie aufesst, bereite ich die Padella di pesce e pasta zu.«
»Was ist das?«, fragte Sören höchst interessiert.
»Eine Fisch-Nudel-Pfanne! Sagte ich das nicht? Aber was essen wir als Secondo? Hm …«
»Wo warst du so lange?«, fragte Erik, wusste aber, dass er nicht mit einer Antwort zu rechnen hatte. Mamma Carlotta würde alles überhören oder zurückweisen, was nichts mit dem momentanen Problem zu tun hatte, in einer halben Stunde ein gutes Essen auf den Tisch zu bringen, das so aussah, als hätte die Hausfrau sich mindestens drei Stunden mit seiner Zubereitung beschäftigt. Diese Kunst hatte sie zur Perfektion gebracht, und Erik war ohne Sorge, dass es ihr auch diesmal gelingen würde, Dr. Hillmot zu beeindrucken. Ohnehin war der zum Glück nicht verwöhnt. Er musste sich meistens mit Fast Food begnügen und saß nur selten an einem gedeckten Tisch.
Mamma Carlotta fiel in diesem Moment ein, dass Pasta al pesto als Secondo immer das Richtige war, wenn die Hausfrau in Zeitnot ist »Das hat meine Mamma immer gemacht, wenn Gäste kamen, auf die sie nicht vorbereitet war. Frisches Pesto hat man immer im Haus!«
Sie knallte sämtliche Zutaten auf die Arbeitsplatte, griff dann in eine Schublade, zerrte eine Tischdecke heraus und warf sie über Sörens linke Schulter auf den Tisch. Der erschrak zwar, verstand aber schnell, was zu tun war.
»Da fällt mir ein …« Mamma Carlotta verschwand im Vorratsraum und erschien Augenblicke später mit einer großen Schüssel, die sie sorgfältig mit Folie abgedeckt hatte. »Der Milchreis von gestern! Daraus mache ich Frittelle di riso! Reiskrapfen! Die mag il dottore bestimmt!« Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, dann hatte sie die Küche und alle Arbeiten, die anstanden, im Blick und legte los, dass es Erik beim bloßen Zusehen schwindelig wurde. Das marinierte Gemüse flog nur so auf eine große Glasplatte, die Sardellen flatterten hinterher, dann hagelte es Kapern, und ein paar Gambas purzelten zwischen die Zucchini, als wären sie betrunken. Das Ciabatta verschwand im Backofen, und Mamma Carlotta suchte Geschirr und Besteck heraus.
»Lass mich das machen«, sprang Erik ihr bei und brauchte länger fürs Tischdecken als Mamma Carlotta für das Putzen der Paprikaschoten, Zucchini und Auberginen. Das Gemüse schmorte bereits im Olivenöl, als er die Papierservietten gefunden hatte und sie umständlich auf den Tellern platzierte, während Mamma Carlotta bereits das Tomatenmark unterrührte, das Gemüse mit Obstessig ablöschte und alles mit Rotwein und Fleischbrühe aufgoss. Als sie das Ganze mit Salz, Pfeffer, Thymian, Majoran und Zucker abschmeckte, hatte Erik endlich eingesehen, dass er es nicht schaffen würde, die Servietten wie spitze Hütchen auf die Teller zu stellen. Er faltete sie zu Dreiecken und legte sie neben das Besteck.
»Hast du den ganzen Tag
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