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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Hause? Halten Sie sie für vertrauenswürdig?»
    «O ja, vollkommen. Sie ist schon lange bei uns und war Lady Tressilian sehr ergeben.»
    Battle lehnte sich zurück.
    «Sie halten es also nicht für möglich, dass Barrett Lady Tressilian umbrachte und sich dann selber betäubte, um allen Verdacht von sich abzulenken?»
    «Natürlich nicht. Weshalb sollte sie das getan haben?»
    «Sie erbt ein Legat, verstehen Sie.»
    «Ich ebenfalls», entgegnete Mary. Sie blickte Battle unverwandt an.
    «Ja, Sie ebenfalls. Wissen Sie, wie viel?»
    «Ja, Mr Trelawny ist vorhin gekommen. Er sagte es mir.»
    «Vorher wussten Sie es nicht?»
    «Nein. Ich vermutete allerdings, dass ich etwas erben würde, denn Lady Tressilian ließ manchmal eine Andeutung fallen. Ich besitze selber nur sehr wenig. Nicht genug, um davon leben zu können. Nun brauche ich keinem Broterwerb mehr nachzugehen… Übrigens wusste ich natürlich, dass Sir Matthews Vermögen an Nevile und seine Frau gehen würde.»
    Nachdem Mary das Zimmer verlassen hatte, bemerkte Leach zu Battle: «Sie wusste also nicht, wie viel sie erben würde.
    Wenigstens sagt sie das.»
    «Ja, das sagt sie», nickte Battle. «Und nun kommt Casanovas erste Frau an die Reihe.»

29
    Audrey trug ein hellgraues Kleid, in dem sie so blass und geisterhaft aussah, dass Battle an Kays Worte denken musste: «Wie ein graues Gespenst kroch sie herum.»
    Sie beantwortete seine Fragen geradeheraus und ohne ein Zeichen der Bewegung.
    Ja, sie sei um zehn Uhr zu Bett gegangen, zur gleichen Zeit wie Miss Aldin. Während der Nacht habe sie nichts gehört.
    «Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich in Privatangelegenheiten mische», sagte Battle, «aber wie kommt es eigentlich, dass Sie sich hier aufhalten?»
    «Ich bin immer um diese Jahreszeit hier. Diesmal wollte mein… mein geschiedener Mann, dass ich zur selben Zeit wie er herkäme, und er fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte.»
    «Es war also sein Vorschlag?»
    «Ja.»
    «Nicht Ihrer?»
    «O nein.»
    «Aber Sie erklärten sich einverstanden?»
    «Ja, ich war einverstanden. Ich… ich meinte, dass ich mich nicht gut weigern könnte.»
    «Warum nicht, Mrs Strange?»
    Ihre Antwort war wenig aufschlussreich.
    «Man ist doch nicht gern unhöflich.»
    «Ihr Mann war der schuldige Teil, nicht wahr?»
    «Wie bitte?»
    «Sie beantragten die Scheidung?»
    «Ja.»
    «Hegen Sie – entschuldigen Sie die Frage – irgendwelchen Groll gegen ihn?»
    «Nein, nicht den geringsten.»
    «Sie sind kein nachtragender Mensch, Mrs Strange.»
    Sie gab darauf keine Antwort.
    Battle versucht es abermals mit dem Schweigen, aber Audrey war nicht Kay – sie ließ sich dadurch nicht zum Sprechen bringen. Sie blieb stumm, ohne Unsicherheit zu verraten.
    Battle musste sich geschlagen geben.
    «Sie stehen mit der gegenwärtigen Mrs Strange auf freundschaftlichem Fuß, nicht wahr?»
    «Ich glaube nicht, dass sie mich sehr liebt.»
    «Mögen Sie sie?»
    «Ja. Ich finde sie sehr schön.»
    «Ich danke Ihnen, Mrs Strange. Das wäre alles.»
    Audrey erhob sich und ging zur Tür. Doch dann zögerte sie und kam zurück.
    «Ich möchte noch etwas sagen…» Sie sprach hastig und nervös. «Sie meinen, dass Nevile es getan hat… dass er sie wegen der Erbschaft getötet hat. Ich bin sicher, dass es sich nicht so verhält. Ich kenne ihn. Ich war acht Jahre mit ihm verheiratet, müssen Sie bedenken. Nevile könnte um des Geldes willen niemals einen Menschen töten. Dazu macht er sich aus Geld viel zu wenig. Ich weiß, dass meine Aussage nicht sehr ins Gewicht fällt, aber ich wünschte, Sie würden mir glauben.»
    Sie wandte sich um und eilte hinaus.
    «Und was hältst du von dieser Frau?», fragte Leach. «Noch nie in meinem Leben habe ich einen so teilnahmslosen Menschen gesehen.»
    «Jedenfalls zeigt sie kein Gefühl», erwiderte Battle. «Aber sie hat Gefühl. Ganz ausgesprochen sogar. Und ich weiß nicht, von welcher Art ihr Gefühl ist…»

30
    Thomas Royde kam als letzter. Aufrecht und ernst saß er da, ein wenig wie eine Eule blinzelnd.
    Zum ersten Mal seit acht Jahren sei er von Indonesien auf Heimaturlaub gekommen. Seit seiner Kindheit verlebte er seine Ferien im «Möwennest». Mrs Audrey Strange sei eine Kusine von ihm, seit ihrem neunten Jahr sei sie im Haus seiner Eltern aufgewachsen. Am vergangenen Abend habe er sich gegen elf Uhr auf sein Zimmer zurückgezogen. Ja, er habe Nevile Strange fortgehen hören, aber ihn nicht gesehen. Nevile sei ungefähr um zehn vor halb elf

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