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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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einer Kasserolle muhen. Sie hatte kleine Brüste und einen Brustkorb, stark wie zwei. Das erste Mal sah ich sie, als ich ungefähr zwölf war. Eine riesige Frau stürmte in unser Ger, und Mama wurde weiß wie Kreide.
    Onon gab mir unter dem Tisch einen Tritt und grinste. Hätte sie sich als Mamas Schwester vorgestellt, hätten wir das geglaubt, dass sie aber unsere Schwester sein sollte, hätten wir Mama nicht abgenommen. Chiroko kam bis an unseren Tisch, steckte den Finger in die Suppe, schleckte ihn ab und blickte dann über den Tisch hinweg Mama an. Mama wirkte, als würden ihre Glieder an Drähten hängen, die in Chirokos Faust endeten, sie erhob sich wortlos und folgte Chiroko, die, das Gesicht ständig uns zugewandt, rückwärts aus dem Ger ging.
    Wie ein kleines Mädchen, das bei etwas ertappt worden war, kam Mama in diesem Moment Schartsetseg vor. Sie beugte sich über ihre Schale zu mir her und flüsterte mir das zu.
    Papa brachte kaum etwas aus dem Gleichgewicht, und so nicht einmal das. Er schob die leere Schale weg, griff nach der Flasche und legte zwischen den einzelnen Zügen im Ofen nach. Es war gegen Ende des Herbsts, Mama war nur im leichten Hausdeel im Freien, und durch die Filzwand unseres Ger strömte Kälte.
    Als die Tür knarrte und Mama auf Zehenspitzen ins Bett kroch, schlief ich fast schon. Onon stupste mich an die Hüfte und murmelte, er habe Angst. Ich drehte mich auf die andere Seite und schlief augenblicklich ein.

    Als Chiroko zum zweiten Mal zu uns kam, schälte ich mit Mama vor dem Ger Kartoffeln. Gerle war schon seit ein paar Monaten weg, und Schartsetseg lief irgendwo mit Onon herum. Beim Mittagessen sind die Kartoffeln damals ganz zerkocht gewesen.
    Die Zeit schrumpfte zusammen in Mamas nackte Sätze, und mich überkam ein ungutes Gefühl, wie schnell eine fremde Frau zu meiner Schwester werden konnte. Mama hatte mich vor sich hingestellt und gesagt, ich solle mich vorstellen. Dann redeten Chiroko und sie lange über Geld, ich lief, um die Kartoffeln vom Herd zu nehmen, und als ich zurückkam, hockte Mama wieder da, und Chiroko verstaute ein Päckchen in ihrem Deel. Ich hätte in ihren roten Deel mindestens dreimal hineingepasst. Ihr Kopf war kahlgeschoren, und die zerrissenen Bastschuhe, wie Nonnen sie tragen, waren grau von Staub. Als Schartsetseg kam, musste auch sie sie begrüßen. Onon erwischte sie nicht mehr, und uns sagte Mama, er wäre für eine neue Schwester noch sehr klein, und daher sollten wir ihm vorerst nichts erzählen.
    Zum dritten Mal sah ich Chiroko im Kloster. Mama hatte mich mitgenommen und ließ uns dann allein.
    Beim vierten Mal erzählte mir Chiroko, wozu Mama nicht den Mut gehabt hatte. Oder sie hatten es möglicherweise so abgesprochen, nur werde ich meine Mutter nicht mehr danach fragen, und sollte mich meine Gallenblase weiter so schmerzen, auch Chiroko nicht mehr.
    Chiroko nannte unsere Mutter immer nur Mira.
    Als Mira noch sehr jung war, ein langbeiniges Mädchen mit Zöpfen, bemerkte Chajra, ihre Mutter, einmal, dass Mira dicker als früher war. Weil sie nicht mehr als die anderen aß, ging ihr das nicht aus dem Kopf. Mira, die älteste Tochter
ihrer Eltern, war von einem Jungen aus der Somonschule schwanger und wusste davon nichts bis zu dem Zeitpunkt, als das ganze Ger über ihren Bauch zu tuscheln begann und Chajra sie beiseitenahm und ihr alles erklärte. Es ließ sich bereits nichts mehr machen, und so wurde Chiroko an einem glühend heißen Vormittag des achten Monats geboren. Mira schickte man zu Verwandten, und Chiroko wurde von Chajra zusammen mit ihren Kindern erzogen. Mira war verboten, sie besuchen zu kommen, und daher sah sie jahrelang niemanden aus ihrem Ger. Dann hatte Mira neuerlich einen Bauch, meinen Vater jedoch schnappten sich die Verwandten, und er blieb, sie heirateten und bekamen Gerle und dann auch mich und die weiteren Geschwister in dem Ger, das sie sich aufstellten.
    Eines Tages erfuhr Chiroko, die Frau, die sie jeden Abend Argal holen schickte und ihr beibrachte, wie man die Knoten am Ger bindet, war nicht ihre Mama. Sie ging zu ihr hin, zerkratzte ihr das Gesicht und machte sich auf den Weg, ihre richtige Mutter zu suchen.
    Chiroko sagte, das erste Mal wäre sie schon früher gekommen als damals, als Mama erbleichte und Onon sich fürchtete. Onon kroch damals noch auf allen vieren herum, und als sich Mama und Chiroko zu unterhalten begannen, schrie er. Sonst war niemand im Ger gewesen, und daher war das ihr längster

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