Kuss der Sünde (German Edition)
gelaufen. Ich überlege sogar, mein Metier aufzugeben.“
„Um was zu tun? Etwa, mit der de La Motte und ihrem Rittmeister in einer Menage à Trois zu leben?“
Er gönnte ihren Worten ein säuerliches Lächeln und schüttelte den Kopf. „Um Paris eventuell zu verlassen. Wir könnten in die Provinz ziehen, in einem kleinen Ort ein Haus kaufen und dort leben. Sofern du Lust hast, weiterhin meinen Haushalt zu führen. Wir wagen einen Neuanfang. Was hältst du davon?“
Ninon atmete langsam aus. Seit Jahren wünschte sie sich nichts anderes, insbesondere für ihn, doch wann immer sie einen Vorstoß in diese Richtung gewagt hatte, war sie auf taube Ohren gestoßen. Sein Sinneswandel kam zu schnell und unverhofft. Etwas war im Gange, und wenn er deswegen überlegte, seine Heimatstadt zu verlassen, könnte es leicht geschehen, dass er sich übernahm. „Das kommt sehr plötzlich. In den letzten Jahren wurden deine Risiken immer größer, und es kümmerte dich nicht. Es begann mit Liebesbriefen, dann kamen gefälschte Urkunden hinzu, schließlich die Raubzüge, und du weißt, für wie unnötig ich die Gefahr halte, in die du dich mit diesen Aktionen begibst.“ Sie nahm seine Hand und schob ihre Finger in seine. Er reagierte nicht auf die Berührung, sondern zog eine Grimasse, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Worauf hast du dich eingelassen, Olivier? Was verbindet dich mit dieser falschen Comtesse?“
Die Türglocke enthob ihn einer Antwort. Mit gesenkten Lidern und undurchdringlicher Miene blickte er auf ihre verschränkten Hände hinab. Ninon blieb sitzen, obwohl es abermals läutete. Als er die Lider hob, sah sie in die klaren, grauen Augen eines zu Unrecht gescholtenen Jungen.
„Soll ich öffnen?“, fragte er ausgesucht höflich.
Mit einem Zungenschnalzen erhob sie sich und ging zur Haustür.
Sie hatte sie erst zu einem Spalt geöffnet, als sich auch schon Alain Duprey hindurchzwängte, lächelte und schnuppernd die Nase hob. „Ah! Bouillabaisse. Meine Mutter verstand sich gut auf dieses Gericht.“
„Dann setz dich zu uns. Es ist noch genügend da“, bot sie dem immer hungrigen Tanzmeister an.
Er eilte ihr voraus ins Speisezimmer, rieb sich die Hände und setzte sich an den Tisch. Sofort schnappte er sich einen Kanten Brot und biss hinein.
„Guten Abend, Alain“, meinte Olivier.
Kauend nickte dieser ihm zu. Ninon holte ein weiteres Gedeck und füllte die Schale ihres Gastes sowie die von Olivier noch einmal auf, ehe sie sich zu ihnen setzte.
„Ich habe eine Stärkung dringend nötig“, sagte Alain und begann zu löffeln. „Habe meine Anstellung bei den Pompinelles verloren. Der Sohn des Hauses starb vor sechs Wochen. Irgendwas mit den Lungen. Während der Trauerzeit sind Tanzmeister nicht gefragt.“
Ninon horchte auf und senkte den Löffel. Pompinelle. Ein Name, den sie mit Leid und Unheil verband. Jetzt hatte es also den einzigen Sohn erwischt. Aus den Augenwinkeln spähte sie zu Olivier, doch seine Miene verriet nichts.
„Heute war ich dort wegen meines ausstehenden Lohns. Die älteste Tochter empfing mich und gab mir sogar bedeutend mehr, um meine etwaigen Unkosten der vergangenen sechs Wochen zu erstatten. Ich bin sicher, ihre Eltern haben keine Ahnung. Die hätten mir nie so viel gegeben.“
„Ich wusste nicht, dass du die Töchter dieser Familie unterrichtet hast“, warf Ninon ein.
„Schon seit drei Jahren“, sagte Alain zwischen zwei Löffeln Suppe. „Es sind wahre Plagen. Sie sind zu dritt, doch nur zwei nahmen am Unterricht teil. Die Jüngste und die Mittlere, die Älteste saß immer nur dabei. Zugegeben, die Mittlere war die Schlimmste. Juliette.“
Olivier räusperte sich und nahm sein Weinglas auf. Über den Rand hinweg fixierte er Alain aus schmalen Augen. Ninon kannte diesen Blick, er verbot jedes weitere Wort, doch seinem Freund entging es. Zunehmend geriet er in Rage.
„Ich könnte diesem verzogenen Gör noch jetzt den Hals umdrehen. Sie musste sich natürlich einmischen und hatte die Frechheit, zu behaupten, dass ich mir nie viel Mühe gab und ihr nichts beibrachte. Sie forderte das Geld sogar von mir zurück!“
Unlustig schob Olivier die Suppenschale von sich. Alain lachte auf und wandte sich an Ninon.
„Diese große Schwester, Demoiselle Viviane, hat ihr gewaltig eins auf den Deckel gegeben. Sie ist ziemlich groß, überragte diese dumme Gans um einen ganzen Kopf und wies sie mit einer Schärfe zurecht, die ich bei einer Frau selten erlebt habe.
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