Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
meine Stirn, das Make-up hatte mein Gesicht schmaler gemacht, Kontaktlinsen färbten meine grauen Augen braun. Ein Beutel voll mit Kosmetika stand bereit, damit ich diese Maskerade für die nächsten Tage aufrechterhalten konnte. Jeana hatte auch Kleider für mich organisiert, solche, wie sie derzeit bei den jungen Frauen der Civitas beliebt waren. Also trug ich jetzt körpernahe Hosen, ein mit Rüschen besetztes Oberteil in wilden Farben, eine gefütterte schwarze Weste und wadenhohe Stiefel. Bequem war es, aber so ganz anders als die lose fallenden Tuniken und Hosen, die ich gewohnt war.
Cam nickte anerkennend, als ich mich bei ihm einfand. Er reichte mir ein rosafarbenes Armband.
»Dein Id, Princess La Cabra. Es hat nicht alle Funktionen, vor allem kann man es nicht für medizinische Zwecke freischalten. Aber es ist ein ausreichender Kredit drauf. Lass ihn dir an der Übergangsstation zum Reservat auszahlen. Und dann versuch das Ding so bald wie möglich loszuwerden. Ich kann es bis zur Grenze verfolgen, dann bist du auf dich gestellt.«
»Ist in Ordnung.«
»In den Bussen und den Lodges gibt es eine Funküberwachung. Die Mitglieder der Reisegruppen werden – zu ihrer eigenen Sicherheit, wie man sagt – überwacht und sollten sich nicht aus der Reichweite dieser Kontrollen begeben. Sie erstreckt sich über ein bis zwei Kilometer im Umkreis.«
»Verstehe.«
»Ich habe dir einige Angaben zu deiner Biografie als Princess La Cabra ausgedruckt. Lern sie auswendig, damit du dich mit deinen Reisegefährten unterhalten kannst.«
»Mach ich.«
»Es wird dir vielleicht schwerfallen, Kyria, aber du musst Rebs Anweisungen, ohne zu widersprechen, folgen. Er ist schon häufiger unterwegs gewesen und kennt sich mit den Gepflogenheiten in den Reservaten aus. Er wird sich darum kümmern, dass ihr unbeobachtet die Reisegruppe verlassen könnt. Und, Kyria, er hat einen wichtigen Auftrag, der Vorrang vor deinem Anliegen hat.«
Ich kaute einen Moment daran. Ich war es nicht gewöhnt, von Männern derart bevormundet zu werden. Cam saß vor mir und musterte mich mit kühlem Blick.
Wo war der sanfte, freundliche Ole MacFuga geblieben?
Alles Camouflage.
»Hast du ein Problem damit?«
»Reb kann ziemlich unfreundlich und ungehobelt sein.«
»Ja, das kann er sein. Rücksichtslos, aber clever und ehrgeizig ist er auch. Und vor allem, Kyria, ist er unglaublich zäh. Was er erreichen will, erreicht er. Also wird er dich auch sicher zu deiner Freundin bringen. Wenn du nicht herumzickst.«
»Ich zicke nicht.«
»Doch, das tust du. Es kann sein, dass es nicht deine Schuld ist, du bist so erzogen worden. Männer gelten in deiner Welt nichts. Bei den Electi noch weniger als in der Civitas. Wir werden euch, wenn ihr in die Gesellschaft eingeführt werdet, wie Zuchtvieh vorgeführt, und ihr pickt euch von uns diejenigen heraus, die euch würdig erscheinen.«
Er hatte nicht unrecht. Nein, hatte er nicht. Männer hatten in den ersten sechzehn Jahren meines Lebens keine Rolle gespielt. Einen Vater hatte ich nicht, mich hatten Kinderfrauen, Lehrerinnen und dann meine Duenna betreut. An meinem sechzehnten Geburtstag waren erstmals ausgewählte Jungmänner der Electi eingeladen worden, die in ausgesuchter Höflichkeit um meine Aufmerksamkeit buhlten. Allerdings hatte keiner von ihnen mein Interesse an der Gattung Mann geweckt.
Genaugenommen waren Cam und Reb die einzigen, die je in mir mehr als einen Funken Neugier erregt hatten.
Unpassende Männer. Meine Mutter würde aufheulen, wenn sie wüsste, mit wem ich jetzt Kontakt hatte. Und Bonnie? Große Mutter – was hatte Bonnie nur angetrieben, mich umbringen zu wollen?
Aber nun war sie der Grund, warum ich hier verschwinden musste.
»Also gut, Cam. Ich höre auf Reb. Aber wenn er zu pampig wird, werde ich weiterzicken.«
Cam lächelte. »Vielleicht macht es ihm ja Spaß.«
»Oh, gewiss. Genau wie mir.«
»Rauft euch zusammen, Princess. Und spielt zumindest für den ersten Teil der Reise in der Öffentlichkeit das verliebte Pärchen.«
»Erklär ihm das auch.«
»Er weiß es schon.«
»Wann brechen wir auf?«
»Um zwei Uhr. Da wird nämlich deine Doppelgängerin eine weiteren Auftritt in der Capitale haben und hoffentlich alle Amazonen auf ihre Spur schicken.«
»Wo ist Reb?«
»In der Arena. Er trifft Vorbereitungen für euren kleinen Ausritt.«
Die Wettkampfarena, in der die Wagenrennen ausgetragen wurden, befand sich an der östlichen Begrenzung der aufgelassenen Gebiete.
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