Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
funkelten im Sternenlicht. Dann war er wieder ernst. »Ganz allein?«
»Ich setze mich an den Strand, öffne eine Flasche Champagner und freue mich unbändig, dass ich noch am Leben bin. Ich könnte jetzt schon tot sein.«
»Das stimmt.« Tim setzte sich neben sie auf die Ruderbank, zog ihre Hand auf sein Knie und streichelte sie. »Du bist sehr stark. Ich bewundere dich dafür, ganz ehrlich.«
»Ich hatte keine Wahl. Das letzte Jahr war das schlimmste Jahr meines Lebens.« Shainee holte tief Luft. »Sobald ich mich von diesem Horrortrip erholt habe, habe ich ein MRT machen lassen. Du weißt schon, weil ein Lymphknoten durchgebrochen war.«
»Und?«
»Ein diffuser Schatten in der rechten Brust.«
»O nein!«, seufzte er.
»In der vierten OP habe ich auch die rechte Brust verloren.«
»Du hast von sieben Operationen gesprochen.«
»In der fünften wurde der Expander in der linken Brust gegen ein Silikonkissen getauscht.«
»Vor der Bestrahlung?«, fragte Tim irritiert.
»Er war defekt. Er lief immer wieder aus und hat sich schließlich sogar gedreht. Ich hatte monatelang Schmerzen und Muskelkrämpfe.«
»Auch das noch!«
»In die rechte Brust habe ich gleich ein Silikonkissen einbauen lassen.«
»Okay, das verstehe ich. Aber die Implantate verändern sich während der Bestrahlung.«
»Ja, sie werden hart. Deshalb muss ich mich in einigen Monaten erneut operieren lassen. Die Silikonkissen werden ausgetauscht.« Sie deutete auf die Narben an ihrem Arm. »Die anderen beiden Operationen waren die Implantation eines Ports, eines permanenten Venenkatheders für die Chemo, der schon nach vier Wochen getauscht werden musste, weil er defekt war.« Sie strich über ihren rechten Oberarm, dort wo die Narbe war. »Er sitzt hier.«
»Was für eine Tortur!«, stöhnte Tim. »Und dann die Antihormontherapie?«
»Genau.«
»Schmerzen, Hitzewallungen, Benommenheit bis zur leichten Demenz?«
Sie nickte. »Noch fünf Jahre lang.«
»Und am Ende dieser ganzen Therapien kam die Bestrahlung?«
»Die war nicht so schlimm wie die Chemo, aber mir hat’s gereicht.«
»Hey, das glaub ich gern. Darf ich dir mal ein ungewöhnliches Kompliment machen?«
»Klar.«
»Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der so positiv und so locker mit Krebs umgeht wie du. Du lachst. Und du strahlst vor Lebensfreude. Deine Augen leuchten. Du tanzt geradezu durchs Leben. Keine Spur von Mitleid heischenden Klagen, von Depression oder Verbitterung, trotz allem, was du im letzten Jahr durchgemacht hast.«
»Danke, aber das Kompliment habe ich, ehrlich gesagt, von allen Ärzten gehört, die mich bisher betreut haben.«
»Betreut? Nicht behandelt?«, fragte er nach.
»Ich lasse mich nicht be handeln, Tim. Ich handele.«
Er lächelte. »Das ist die richtige Einstellung, um gesund zu werden.«
»Ich bin taff, da hast du Recht. Ich habe immer die Pace, das Tempo dieses Rennens, vorgegeben. Ich habe alle medizinischen Entscheidungen zu den Operationen und den Therapien souverän selbst getroffen und niemals den Ärzten überlassen, die mich lediglich beraten haben. Ich hatte das Glück, ein kompetentes Ärzteteam zu haben, das mich so akzeptiert hat, wie ich bin. Eine informierte Patientin mit klaren Vorstellungen, was sie will, und wie sie es will, und wann sie es will, mit Terminplaner für das ganze Jahr, mit Diktiergerät zur Aufzeichnung der Gespräche und kistenweise Infomaterial aus medizinischen Fachbüchern und dem Internet.«
»Damit können nicht alle Ärzte umgehen.«
»Wer es nicht konnte, war nicht lange mein Arzt.«
»Es ist dein Leben.«
»Genau.«
Tim nickte langsam. »Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen. Du bist so stark. Wenn so etwas jemand anderem zugestoßen wäre, hätte ich Mitleid empfunden. Aber bei dir ...« Er zögerte kurz und sah sie an. »... bei dir empfinde ich tiefsten Respekt, von ganzem Herzen.«
»Danke.« Sie holte tief Luft. »Das letzte Jahr war für mich die größte Herausforderung meines Lebens. In den ersten Wochen nach der Diagnose habe ich versucht, einen Sinn in allem zu sehen, um der Wut, der Angst und der Verzweiflung in mir etwas entgegenzusetzen.« Sie sah ihn von der Seite an. »Sich mit seiner Sterblichkeit auseinanderzusetzen, sich mit einem Tod abzufinden, der plötzlich nicht mehr ganz so weit entfernt ist wie du zuvor angenommen hattest, lässt dich darüber nachdenken, ob du ein gutes Leben gelebt hast und ob du ein guter Mensch bist. Und wie du künftig leben
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