Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
schmale Gewölbe, von deren Decke eigenartig geformte Eiszapfen wuchsen. Erst bei näherem Hinsehen wurde Alphart bewusst, dass es keineswegs nur gefrorenes Wasser war, das dort von der Höhlendecke hing; die bizarren Skulpturen hatten zum Teil die Form menschlicher Wesen, und hier und dort starrten bleiche, in ewigem Entsetzen erstarrte Mienen durch das milchige Weiß. Was diesen Elenden widerfahren war, darüber konnte der Wildfänger nur rätseln. Er hoffte, dass er noch rechtzeitig kommen würde, um Erwyn ein solch grausames Schicksal zu ersparen.
Eine Treppe vereister Stufen führte noch tiefer in das unterirdische Labyrinth hinab. An deren Fuß gewahrte Alphart – ebenso zu seiner Erleichterung wie zu seinem Entsetzen – zwei gedrungene Gestalten. Erle, die offenbar zur Bewachung abgestellt waren. Als Bewaffnung hielten sie kurze Speere in ihren Pranken, ihr Gestank war unbeschreiblich.
Alphart verharrte reglos, überlegte, wie er die beiden Unholde ausschalten konnte, ohne dass sie Alarm schlugen – da rutschte er plötzlich mit der linken Stiefelsohle auf den eisigen Stufen aus. Eine lautlose Verwünschung auf den Lippen, ruderte der Wildfänger mit der Axt, um das Gleichgewicht zu halten.
Vergebens…
Es war, als würden ihm beide Beine unter dem Körper weggetreten, und er krachte rücklings auf die Stufen – hätte er nicht den Schild auf dem Rücken getragen, der den Aufprall abfing, hätte er sich vermutlich das Rückgrat gebrochen. Mit den Beinen voraus rutschte Alphart die Treppe hinab – und krachte im nächsten Moment gegen einen der beiden Erle. Die schweinsgesichtige Kreatur gab ein überraschtes Grunzen von sich und kam ebenfalls zu Fall, während ihr Kumpan herumfuhr. Dessen Augen weiteten sich, als er den Eindringling gewahrte, dann stieß die Speerspitze erbarmungslos zu.
Alphart jedoch war schneller. Noch auf dem Boden liegend, warf sich der Wildfänger herum, und die Speerspitze bohrte sich in den Schild auf seinem Rücken. Dann hieb Alphart mit der Axt nach den Beinen des Unholds, die mit Fell umwickelt, ansonsten aber ungeschützt waren.
Es knackte hässlich, als das scharfe Blatt durch Fleisch und Knochen schnitt. Der Unhold kippte wie ein gefällter Baum, woraufhin der Jäger ein zweites Mal zuschlug und die Axt bis zum Schaft in seinem Rücken vergrub.
Dieser Erl rührte sich nicht mehr, wohl aber der andere, der sich schnaubend wieder auf die kurzen Beine gerafft hatte und dann angriff. Den Speer gesenkt, stürmte er heran.
Alphart, der noch neben dem erschlagenen Unhold auf dem Boden kauerte, riss an der Axt und versuchte, sie wieder freizubekommen, was ihm jedoch nicht gelang. Schon war die giftige Speerspitze heran, doch der Wildfänger warf sich im letzten Moment herum.
Zwar verfehlte ihn das Mordinstrument um Haaresbreite, was dem Erl ein wütendes Schnauben entlockte, jedoch war Alphart nun eine ganze Armlänge von seiner Axt entfernt, und das Messer an seinem Gürtel reichte kaum aus, um einen vor Wut rasenden Unhold aufzuhalten. Schon griff der Erl erneut an, den Speer beidhändig umklammernd – Alphart blieb nicht einmal Zeit, auf die Beine zu kommen. Auf den Knien kauernd, wollte er erneut ausweichen, als sein Blick auf den Speer des anderen Wächters fiel, der herrenlos neben ihm am Boden lag. Zum Werfen war die Distanz zu kurz, aber Alphart griff blitzschnell nach der Waffe und richtete sie auf – gerade in dem Moment, als der Angreifer ihn erreichte.
Der Erl, dessen ganze Konzentration darauf gerichtet war, den Eindringling zu vernichten, sah die Gefahr nicht kommen. Er bemerkte die Speerspitze erst, als sie sich mit der ganzen Wucht seines ungestümen Angriffs in seine Eingeweide bohrte und seiner Raserei ein jähes Ende setzte.
»So«, knurrte Alphart, »nun lasst uns sehen, ob das Gift, das ihr mischt, auch für euresgleichen tödlich ist.«
Der Unhold war in Reglosigkeit erstarrt.
Mit ungläubig geweiteten Augen starrte er Alphart an, während er unbeholfene Versuche unternahm, den Speer in seiner Hand doch noch in den Leib seines Gegners zu stoßen. Der Wildfänger sprang auf – gerade in dem Moment, als der Erl vornüber kippte und sich den Speer dadurch nur noch tiefer in den Wanst rammte. Blutbesudelt trat die Spitze in seinem Rücken wieder aus. Der Erl ließ noch ein heiseres Schnauben vernehmen, dann blieb er reglos liegen.
Alphart wandte sich ab und griff nach der Axt, die sich widerspenstig und schmatzend aus dem Fleisch des anderen
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