Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Schicksal von allen Dingen, die bedeutungslos waren…
Natürlich hätte sich Erwyn gegen diese Einsicht auflehnen, sich mit aller verbliebenen Kraft dagegen wehren können – doch tief in seinem Inneren wusste er, dass Muortis recht hatte.
Im Grunde, sagte er sich, hatte er es immer gewusst, von Anfang an. Was Yvolar ihm über Dochandar erzählt hatte und über das Vermächtnis der Sylfen, war ihm von Beginn an fremd erschienen. Hätte es nicht anders sein müssen, wenn er tatsächlich der Nachkomme Danaóns wäre? Hätte der Erbe des Helden der Gefahr nicht todesmutig ins Auge blicken und das Schicksal seiner Welt in die Hand nehmen müssen?
»Yvolar«, flüsterte er mit gebrochener Stimme, während Muortis einmal mehr höhnisch lachte, »ehrwürdiger Druide – wie hast du dich nur so in mir täuschen können…?«
36
Der Einstieg in den geheimen Gang, von dem Fyrhack berichtet hatte, befand sich auf der dem See abgewandten Seite Iónadors, in einer Schlucht, die durch den tief verschneiten Bergwald schnitt. Getarnt wurde der Einstieg durch einen Wasserfall, der zwischen den moosüberwucherten Felsen herabfiel und zu Eis erstarrt war. Drachenfeuer musste ihn schmelzen, um den Zugang freizulegen. Dann ging es hinein in den dunklen Stollen.
Vierzig Waldkrieger, von denen die meisten dem Falkenclan angehörten, folgten Galfyn, aber es waren auch Krieger von anderen Stämmen dabei, unter ihnen ein hünenhafter Bärenkämpfer sowie zwei Schlangenkrieger, die als die besten Bogenschützen ihrer Sippe galten. Die Führung der Gruppe übernahm Fyrhack, der seine Flügel eng anlegen und sein massiges Haupt senken musste, um überhaupt in den Felsengang zu passen; an einigen Stellen musste er sich gar zwischen eng stehenden Steinwänden und unter herabhängenden Tropfsteinen hindurchzwängen, die bedenklich knirschten, wenn seine Schuppenhaut daran entlangschabte.
»Bist du sicher, dass dies hier der richtige Stollen ist?«, fragte Galfyn, als es den Anschein hatte, als würde Fyrhack zwischen den steinernen Wänden stecken bleiben und nicht mehr vor noch zurück können; Galfyn ging unmittelbar hinter dem Drachen, eine Fackel in den Händen. »Oder bist du im Lauf der Jahre fetter geworden?«
»Mensch«, kam es dumpf und grollend zurück, »ich bin diesen Weg schon gegangen, als du noch nicht einmal ein Gedanke warst. Also wage es niemals wieder, zu zweifeln – weder an meinem Gedächtnis noch hinsichtlich meiner Körpermaße…«
Mit einem zornigen Schnauben schob sich der Drache ein Stück weiter und überwand die Engstelle, während Gestein von Wänden und Decke rieselte. Dann konnte der Marsch durch das flackernde Halbdunkel weitergehen.
Zunächst führte der Stollen eine Weile bergab. An seinem tiefsten Punkt führte er nach links, ehe es dann bergauf ging, teils so steil, dass Stufen in den Fels geschlagen waren. Dafür wurde der Gang breiter, sodass Fyrhack ein wenig mehr Bewegungsfreiheit bekam, und die Wände wurden immer glatter und waren sorgfältiger behauen, je weiter sie sich Iónador näherten.
»Wer hat diesen Stollen einst angelegt?«, erkundigte sich Galfyn staunend.
»Was stellst du immerzu dumme Fragen, Mensch?«, blaffte der Drache, um dann ein wenig versöhnlicher hinzuzufügen: »Als die Zwerge Iónador im Auftrag der Sylfen erbauten, haben sie an alles gedacht – sogar an einen geheimen Fluchtweg für den Herrscher, falls dieser einmal in Bedrängnis geraten sollte. Über die Jahrtausende geriet der Stollen jedoch nahezu in Vergessenheit, und nur noch wenige erinnern sich an ihn.«
»Unter ihnen Yvolar«, sagte Galfyn.
»Mensch«, knurrte Fyrhack, »wenn du ohnehin schon alles weißt, weshalb stellst du dann überflüssige Fragen?«
Damit war für den Drachen die Unterhaltung beendet. Er ging weiter voraus, und der Häuptling und seine Leute folgten ihm.
Je näher sie der Oberfläche kamen, desto strenger wurde der Geruch, der im Stollen herrschte. Mit jedem Schritt schien er sich zu intensivieren, bis er schließlich zu einem bestialischen Gestank wurde, der den Männern fast die Sinne raubte.
»Verdammt, was ist das?«, fragte Galfyn stöhnend.
»Was soll es wohl sein?« Fyrhack schnaubte verächtlich. »Der abscheuliche Odem der Verwesung. Wie ein Schatten folgt er den Erlen, denn wo Unholde sind, ist der Tod nicht weit…«
Der Drache sollte recht behalten.
Kaum hatten sie das Ende des Stollens erreicht, das sich als große runde Öffnung vor ihnen
Weitere Kostenlose Bücher