Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
noch gefiel, bis sie, wenn er zum Sprung ansetzte, gar nicht mehr davonlaufen wollen würde.
Er sah sie an und ließ seine Zähne blitzen.
»Hören Sie, ich wollte nicht unterstellen, dass Sie ein Flittchen sind«, teilte er ihr mit. »Ich weiß doch gar nichts über Sie. Und falls das irgendwie infrage stehen sollte, ich habe noch nie einer Frau wehgetan oder eine zu etwas gezwungen, das sie nicht tun wollte. Es gab immer eine klare Abmachung, eine Hälfte des Geldes vorher, die zweite Hälfte, nachdem wir fertig waren. Wir beide haben uns zusammengetan. Was immer ich in der Vergangenheit gemacht oder nicht gemacht habe, spielt dabei keine Rolle. Mein Privatleben ist nicht wichtig. Es kommt nur auf das an, was ich von jetzt an tue.«
Sie zuckte die Achseln.
»Waren Sie jetzt lange genug wütend?«
»Ja.«
»Gut.« Verrücktes Weib .
Sie ritten auf den Hof. Er sprang vom Pferd und fing den intensiven Geruch von nassem Fell und die scharfe Duftmarke auf, die das Revier kennzeichnete: Hunde. Scheiße.
Lautes, heiseres Kläffen brach aus einem Dutzend Kehlen. William straffte sich. Manchen Hunden machte sein Geruch nichts aus, die meisten aber reagierten, wie die Natur es vorsah, wenn ein Wolf in ihr Revier eindrang. Sie kämpften mit ihm um die Vorherrschaft und verloren.
Hi, Cerise, tut mir leid, aber deine Hunde sind auf mich losgegangen, und ich musste sie niedermetzeln. Die gute Nachricht ist, dass du jetzt einen Haufen schöner Felle hast …
Eine Hundemeute stürmte ums Eck. Große Köter, mindestens fünfzig Kilo schwer, ein paar schwarze, ein paar hellbraune, aber alle mit den eckigen Köpfen von Mastiffs und kupierten Schwänzen. Zur Hölle damit!
Die Hunde griffen mit voller Wucht an.
Das Messer flog ihm fast von alleine in die Hand.
Der erste Hund, ein riesiger heller Rüde, sprang ihn an, knickte in den Vorderläufen ein, streckte das Hinterteil in die Höhe und wedelte mit dem Schwanz.
Was zum Teufel …?
Die Meute wirbelte um ihn herum, Krallen schrammten über die Erde, Hundenasen stupsten ihn, Zungen schlabberten, Speichel spritzte in langen, klebrigen Batzen. Eine kleinere Hündin winselte – ein anderer Kläffer war ihr auf die Pfote getreten.
»Okay, Platz! Beruhigt euch, verdammt noch mal!«, blaffte Cerise. »Was ist denn in euch gefahren?«
William tätschelte dem Alphamännchen den gewaltigen Kopf. Mit hündischer Hingabe blickten ihn traurige braune Augen an. Hunde waren schlichte Geschöpfe, und dieser schien seinen Geruch zu lieben.
»Das ist Cough«, sagte Cerise. »Der tonangebende Tölpel.«
Der Hund beschnüffelte seine Hand, leckte sie ab und hinterließ schleimigen Sabber auf der Haut. Bäh.
»Cough, du Tollpatsch. Sorry, normalerweise sind sie zurückhaltender. Die mögen Sie wohl.«
»Ja, das tun sie«, ließ sich eine ruhige Frauenstimme von oben vernehmen.
Die Frau stand neben Kaldar auf dem Balkon. Sie war groß und schlank und sah aus wie Cerise, wenn diese zwanzig Jahre älter gewesen und die Jahrzehnte mit der Roten Legion durch irgendeine Hölle marschiert wäre, die sie nun mit Albträumen um den Schlaf brachte. Während Cerise muskulös war, bestand die Frau nur aus Sehnen und Knochen. Sie heftete ihren Blick auf ihn, konzentrierte sich und maß die Distanz wie ein Raptor seine Beute. Wie ein Sniper.
Hätten ihre Augen sie nicht verraten, hätte es ihr Gewehr getan. Er hatte diese Waffe erst einmal in einem obskuren Katalog gesehen: Remington 700 SS 5-R. Ein Scharfschützengewehr. Remington stellte im Jahr nur etwa fünfhundert davon her. Und im Edge hätte William am allerwenigsten damit gerechnet.
»Meine Tante Murid«, erklärte Cerise.
»Der Mann mit Pevas Armbrust«, sagte Murid und wies nickend auf Pevas Waffe. »Der Feind unseres Feindes ist unser Freund. Willkommen.«
»Meine Rede.« Schwungvoll öffnete Kaldar die Tür. Ein Hauch von gekochtem Rindfleisch wehte nach draußen und verengte Williams Welt auf einen einzigen Gedanken.
Essen .
Cerise hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, also stemmte er die Armbrust, bahnte sich einen Weg durch das Hundemeer und nahm die Treppe. Er schaffte es noch rechtzeitig durch die Tür, um zu sehen, wie sie in ein Nebenzimmer auf der linken Seite abbog.
»Wir zwei halten Kurs.« Mit der wachsweichen Anmut eines Magiers tauchte Kaldar neben ihm auf. »Gehen Sie einfach weiter. Ich denke, ich führe Sie in die Bibliothek. Meine Schwester befindet sich da drin, die wird Sie im Auge behalten, während ich
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