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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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sah meine Mutter unverwandt an, doch er zögerte, bevor er ihr antwortete. »Lina kommt mit. Der Könighat meiner Familie verziehen, und ich finde, es ist an der Zeit, dass wir nach Hause zurückkehren. Immerhin sind wir von königlichem Geblüt. Für uns gelten gewisse Bräuche nicht.«
    Lina schaute mit einem schalkhaften Lachen in den Augen zu ihm auf. »Ich bin eine Prinzessin und eine Hexe!«, rief sie. »Niemand würde es wagen , mich anzurühren.«
    »So ist es, mein Schatz«, bestätigte ihr Vater und küsste sie auf die Stirn. »Und eine wunderschöne Prinzessin obendrein!«
    Meine Mutter presste die Lippen zusammen, denn sie missbilligte derlei Hätscheleien, zumal sie Lina in ihrer Ungezogenheit nur bestärkten. Doch sie schwieg; es stand ihr nicht zu, eine Meinung über die Entscheidungen des Masters zu äußern. Der Rest des Abends geriet zu einem Wirbelwind aus Klatsch, da jeder in der Küche über die Neuigkeiten redete, mit denen niemand von uns im Mindesten gerechnet hatte, nicht einmal der Leibdiener des Masters. Der schmollte ein wenig, weil er von der Nachricht überrascht worden war – er fand, es schmälere seinen Rang im Haushalt. Später zeigte sich meine Mutter ungewöhnlich ungeduldig mir gegenüber, als sie mich wusch und zu Bett brachte, und ich wusste, dass sie sich sorgte.
    »Wird man wirklich versuchen, Lina zu töten?«, fragte ich, denn wie alle anderen hatte ich düstere Gerüchte über die wilden Sitten des Nordens gehört, wenngleich meine Mutter mir solche Geschichten nie erzählt hatte. Das meiste davon hatte ich von meinen Freunden aus dem Süden zu hören bekommen, wenn sie mich ärgern wollten. Und manchmal – immer unter Linas Führung – hatten wir Hexenjagd mit Lina in der Hauptrolle gespielt. Dann verkleideten wir uns als Hochlandzauberer mit Stöckchen statt Stäben, schleiften Lina mit dramatisch gefalteten Händen aus ihrem Versteck und taten so, als steckten wir sie in Brand, während sie den Blick gen Himmel richtete und uns mit Flüchen verwünschte. Bisweilen geht mir bis heute durch den Kopf, dass sie im Süden bleiben und in den Theatern der Stadt hätte auftreten sollen, wenngleichihr Vater eine solch gewöhnliche Tätigkeit niemals gutgeheißen hätte – Lina war eine geborene Schauspielerin.
    Meine Mutter überlegte damals eine Weile, bevor sie mir antwortete. Schließlich sagte sie: »Der Master hat recht. Sie wird nicht getötet werden, jedenfalls nicht vom gemeinen Volk, und vielleicht schützt ihr königliches Blut sie vor den Zauberern. Allerdings bezweifle ich, dass sie es auf dem Plateau leicht haben wird – die Dinge sind dort anders. Aber es steht weder mir noch dir zu, den Willen des Masters infrage zu stellen, mein Kind.«
    Und damit war die Angelegenheit besiegelt.
II
    Es war Anfang Frühling, und es herrschte noch unbeständiges Wetter: Alles, was nach Norden sollte, musste in Sackleinen und Ölzeug gewickelt und auf den Kutschen in Stroh gepackt werden. Als Oberwirtschafterin oblag meiner Mutter die Verantwortung dafür, dass all das feine Porzellan und Glasgeschirr nicht in Form von Scherben in Elbasa eintreffen würde.
    Ich musste meine beste Freundin Clar zurücklassen, die rothaarige Tochter des Milchmanns – Lina zählte nie als Freundin, sondern eher als Naturereignis, das es bestmöglich zu ertragen galt. Als mir klar wurde, dass ich Clar vermutlich nie wiedersehen würde, verlor das aufregende Ereignis all seinen Glanz; eine Woche lang weinte ich mich jeden Abend in den Schlaf, und wir knoteten Armbänder aus bunter Wolle füreinander und schworen, die andere nie zu vergessen. Lina hingegen strahlte vor freudiger Erregung. Sie erzählte jedem, der ihr zuhörte, dass sie ihr Geburtsrecht als Prinzessin des Geblüts einfordern würde, auch dann noch, als es niemandmehr hören konnte, und sie zeigte sich fest entschlossen, beim Packen zu helfen. Obschon sie fortwährend dafür gescholten wurde, im Weg zu stehen, vermochte nicht einmal die strengste Rüge, ihre Laune zu trüben.
    An die Reise selbst erinnere ich mich kaum noch, nur noch daran, dass es sehr langsam voranging und jeden Tag zu regnen schien. Taub vor Kälte und Elend saß ich auf dem Karren und hasste alles und jeden. Nichtsdestotrotz überraschte mich unsere Ankunft in Elbasa und riss mich aus meiner Niedergeschlagenheit: Obwohl uns der Master erst später nachfolgen sollte, hatte sich der gesamte Weiler eingefunden, um uns willkommen zu heißen. Auf dem Dorfplatz

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