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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Schlüssel.
    »Dann bis gleich«, sagte sie und ging zur Tür.
    Marius blies Rauchkringel in die Luft und schloss die Augen. Ein perfekter Abend. Wenn so die Zukunft aussähe…
    Ein lauter Schrei. Er riss die Augen auf. Nathalie. Er und Mikey sprangen gleichzeitig auf. Nathalie stand in der offenen Tür. Die Hände vor den Mund geschlagen starrte sie auf die Fußmatte.
    Marius war mit zwei großen Schritten bei ihr. Er nahm sie in den Arm. Im Treppenhaus war keine Menschenseele.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    Dann sah er es selbst: Auf der Fußmatte lag ein toter Vogel. Eine schmutzigblaue Taube mit gebrochenem Genick. Aus dem offenen Schnabel sickerte ein dünnes Rinnsal dunklen Blutes. Mit weit aufgerissenen Augen starrte das Tier zu ihnen hinauf. Der Schrecken über den plötzlichen Tod war deutlich konserviert.

14
    Um in seine Stammkneipe zu gelangen, musste Hambrock lediglich die Straße überqueren. Sie lag keine dreißig Meter von seiner Wohnung entfernt. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb das »Jamaines« zu seiner Stammkneipe geworden war. Denn an Reggae, Rastafari und jamaikanischer Folklore lag es sicherlich nicht. Zudem war der Wirt ein alter Bekannter aus der Zeit, als Hambrock noch nicht in der Abteilung für Kapitalverbrechen gearbeitet hatte. Jamaine kannte sich in der Drogen- und Dealerszene aus, auch wenn er seit einiger Zeit vorgab, das alles längst hinter sich gelassen zu haben.
    Die Kneipe war voller Studenten, und laute Musik dröhnte aus den Boxen. Im Grunde passte Hambrock gar nicht hierher. Doch so lange er nur still in seiner Ecke am Tresen saß und sein Bier anstarrte, fiel er nicht weiter auf. Man ließ ihn einfach in Ruhe.
    Erlend war an diesem Abend zu einer Freundin gefahren, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hatte. Sie gab die Seelentrösterin, auch wenn sie lieber zu Hause geblieben wäre, um sich gemeinsam mit Hambrock einen Film anzusehen. Daraus war leider nichts geworden, und alleine vor dem Fernseher zu hocken, das war auch nicht das Richtige. So saß er nun hier, umgeben von feiernden Studenten und lauter Musik.
    Er leerte sein Bier und stellte das Glas ab. Sofort stand ein frisch gezapftes auf dem Tresen.
    »Bitte sehr, Hambrock! Lass es dir schmecken.«
    Jamaine war aufgetaucht, um Nachschub zu bringen. Er grinste schief und zeigte dabei seine Zahnlücke.
    »Ist immer noch so viel los bei euch?«, fragte er und meinte damit Hambrocks Arbeit im Präsidium. »Das hört wohl gar nicht mehr auf mit dem Stress.«
    »Ganz im Gegenteil. Ich habe frei.«
    »Ach, wirklich? Du siehst aus, als hättest du einen langen Arbeitstag hinter dir. Als könntest du mal wieder nicht abschalten.«
    »Ach was, das wirkt nur so. Denk an Derrick. Der hatte auch nur einen Gesichtsausdruck für alles.«
    Jamaine lachte, zwinkerte ihm zu und kehrte zurück an den Zapfhahn. Dabei hatte der Wirt natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Hambrock konnte mal wieder nicht abschalten. Er grübelte ohne Unterlass. Er dachte an Roland Baar. Fragte sich, weshalb sie bei den Ermittlungen die Verbindung zu Lennard Müller übersehen hatten. Und ob ihnen vielleicht noch etwas anderes durch die Finger geglitten war.
    Rein theoretisch wäre es natürlich möglich, dass Roland seinen Bruder ermordet hatte. Doch für Hambrocks Geschmack war das ein bisschen zu theoretisch. Roland hätte den Zug abpassen und sich hinter dem Gleisbett im Verborgenen halten müssen. Er hätte wissen müssen, was passieren würde.
    In der Nacht war es stockdunkel gewesen, und der kleine Bahnhof verfügte nur über eine sehr spärliche Beleuchtung. Die Schlägerei hatte sich am Ende des Bahnsteigs im Zwielicht abgespielt. Die anderen Fahrgäste waren zur kleinen Unterführung getrottet, durch die man unter dem Gleisbett entlang zum Bahnhofsgebäude gelangte. Erst auf der anderen Seite hatten sie die Schlägerei bemerkt. Es war ganz schnell gegangen, Marius lag am Boden, kassierte Schläge und Tritte, und schließlich ließen die Täter von ihm ab und flohen. Dann war da noch der Zug, der in dem Moment in Richtung Essen abgefahren war. Er hatte den Blick auf den am Boden liegenden Marius versperrt. Einer der Zeugen hatte die Flüchtenden mit der Handykamera gefilmt. Ein anderer hatte Polizei und Notarzt gerufen.
    Natürlich. Ein kleines Zeitfenster gab es, in dem Roland zu seinem schwer verletzten Bruder gehen und das Werk der drei Täter hätte vollenden können. Aber diese Schlägerei war nicht geplant, davon

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