Last days on Earth: Thriller (German Edition)
verhören, und Norxis von Felsenstein hatte sich elegant und scheinbar mühelos all ihren Fragen entzogen. Karla wartete darauf, dass er über ihre unverblümten Fragen zornig werden würde, aber der Drache schien das Katz-und-Maus-Spiel zu genießen. Er versorgte sie mit einem betörend duftenden Rotwein aus der kleinen Bar, die in die Sitze eingebaut war, und sein glimmender Blick ließ sie während der gesamten Fahrt keine Sekunde aus den Augen.
Sie fuhren in eine Tiefgarage und dann mit einem Aufzug direkt in ein Wohnzimmer von den Ausmaßen eines Sportfelds. Teppiche, Wände, Mobiliar waren in den Farben der Nacht und einem so dunklen Rot gehalten, dass es sich kaum von den schwarzen Möbeln und Stoffen der Umgebung abhob. Die einzigen Lichtpunkte stammten, neben der indirekten Beleuchtung, von effektvoll angestrahlten Edelsteinen, die ihre Reflexe auf die düstere Umgebung warfen wie bunte Glühwürmchen.
»Willkommen in meinem Hort«, sagte der Drache. »Sie sollten es sich jetzt bequem machen.«
Karla seufzte und entschied sich, seinen Kommandoton zu überhören und ihre Schuhe auszuziehen.
Norxis verschwand wortlos in einem Nebenraum. Karla ließ sich auf eine breite, bequeme Couch fallen, stopfte sich Kissen in den Rücken und ließ die Atmosphäre des Raums auf sich wirken. All diese Düsternis hätte eigentlich etwas Erschreckendes oder Bedrückendes ausstrahlen müssen, aber Karla fühlte sich so geborgen wie in einem Kokon tief unter der Erde. Das Flirren der allgegenwärtigen Edelsteine übte eine hypnotische Wirkung auf sie aus. Karla merkte, wie ihre Lider schwer wurden.
Sie erwachte in schimmernder Dunkelheit, ja sie schwebte förmlich darin. Ihr Körper schien sich in reine Energie aufgelöst zu haben. Sie fühlte die Kraftlinien, die der starke, pulsierende Strom der Essentia erzeugte, den sie mit jedem Atemzug im Überfluss produzierte. Diese Kraftlinien gingen in einem glühenden Fächer von ihr aus, strömten in die Dunkelheit, und sie fühlte deutlich, wie jemand ihre Essentia absorbierte. Langsam und genüsslich, mit sanften, fordernden Geistfingern, die sie streichelten und berührten.
Karla überließ sich der Berührung, unter der die Quelle ihrer Essentia wie eine reife Samenkapsel anschwoll und ihre Lebenskraft in vollem Strom herausschießen ließ. Einen winzigen Moment lang fürchtete sie, zu viel zu geben und durch den Verlust geschwächt zu werden, aber im gleichen Moment, als dieser Gedanke sie streifte, schloss sich ein Kreis, und Essentia strömte in gleicher Fülle zu ihr zurück, drang in sie ein und erfüllte sie mit einer tobenden Hitze, die sie erkennen ließ, dass dies nicht ihre eigene Lebenskraft war, die sie nun in wilder Gier aufnahm wie eine Verdurstende das frische Wasser einer klaren Quelle.
Eine Zeit lang schwebte sie so in der samtenen Dunkelheit, im Zentrum einer Wolke aus Essentia und Glut. Dann wurde der Strom schwächer, und auch ihre eigene Kraftquelle begann zu versiegen. Sie wurde müde. Begann sich nach Licht zu sehnen, einer Stimme, die etwas zu ihr sagte, einer zärtlichen Berührung. Keine Glieder, keine Haut, keine Zunge, kein Empfinden. Es war schrecklich und atemberaubend schön zur gleichen Zeit – und dann, in einem kurzen, heftigen Kippen des Gleichgewichts, war es nur noch schrecklich. Karla öffnete den körperlosen Mund, um zu schreien –
– und fand sich auf der breiten, weichen Couch in Norxis von Felsensteins Wohnzimmer liegend. Ihr gegenüber ruhte der Hausherr in einem überdimensionalen Sessel, und Karla sah zum ersten Mal seine Drachengestalt, die nicht minder imposant war als sein halb menschliches Erscheinungsbild. Die glänzend schwarzen Schuppen, die seinen Leib bedeckten, fanden nun einen Widerschein in den absurd zart erscheinenden, sich in einem unsichtbaren Luftzug bewegenden Flügeln, die sich wie riesige Segel spinnwebzart und schimmernd wie eine Seifenblase durch den Raum streckten.
Schläfrig fragte Karla sich, ob alle Drachen diese Flügel besaßen und ob sich eine derart massiv wirkende Wesenheit mit so etwas Hauchzartem überhaupt in die Luft erheben konnte. Dann fing Norxis ihren Blick auf und ließ sie in seine Augen tauchen wie eine Fliege in zähes Harz. Dort hielt er sie einen endlosen Augenblick lang fest, und sie spürte seine Berührung hauchzart und irisierend wie seine Flügel, ehe er sie wieder freiließ und den Blick abwandte.
Karla schnappte nach Luft und klammerte sich an das Polster. Die
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