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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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erzähle ich Alfred, was mein Hauptthema bei dieser Pilgerreise ist. Ich erfahre, dass auch er die Scheidung hinter sich hat und dass er von meiner Trennung wusste. Merkwürdig, wie mir auf diese Weise mein Thema hier nach fast 1000 Kilometern noch einmal auf neue Weise begegnet, mir sozusagen aus der Heimat nachgetragen wird.
     
    Die Hitze macht mir immer mehr zu schaffen, ich bekomme Kopfweh. An jeder Wasserstelle Gegenmaßnahmen. Haare nass machen, Hut vollsaugen und natürlich Arme, Beine und Gesicht kühlen.
    Dennoch komme ich nur mühsam voran. Noch hat sich mein Körper nicht an diese Temperaturen von über 30 Grad gewöhnt. Der Wetterumschlag kam auch etwas krass. So bin ich froh, als ich um sechs Uhr den kommunalen Gite in Arthez de Bearn erreiche und eine sehr gepflegte Anlage vorfmde. Ich habe ein Doppelzimmer im Gite für mich allein und verbringe den Abend im Kreis anderer Pilger.
    Einer von ihnen war in Le Puy sogar in der gleichen Pilgermesse wie ich, aber wir haben uns auf dem Weg bisher noch nicht gesehen. Bernard ist auch da und ich lerne seinen feinen Humor kennen. Außerdem Maria, eine Pilgerin aus Münster. Morgen soll es ein heißer Tag werden, alle wollen bald weg und so breitet sich um zehn Uhr Stille im ganzen Haus aus.
     

Samstag, 14. Juli

     
    Französischer Nationalfeiertag. Ich erwache bald, es ist erst halb sieben. Frühaufsteher unter den anderen Pilgern haben mich durch ihre Morgenaktivitäten geweckt, worüber ich froh bin. Da komme ich wenigstens bald weg, falls es wieder so heiß werden sollte. Bisher ist der Himmel noch von Hochnebel oder Dunst verhangen. Alle Pilger frühstücken zusammen, dann brechen alle nach und nach auf. Ich um acht Uhr.
    Nationalfeiertag hin oder her, die Bäckerei hat offen und so findet ein Baguette Platz auf meinem Rucksack.
    Durch den lang gezogenen Ort geht es nach Westen, erst ziemlich eben, dann viel bergauf, bergab, aber trotzdem eher leicht. Die Landschaft ist kleingliedrig, Wiesen und Weiden, wenige Felder. Nach eineinhalb Stunden ist Argagnon erreicht. Der Weg kreuzt eine Straße, die Bahnlinie, den Fluss Gave de Pau, eine Autobahn, bis er wieder ruhigere Gefilde erreicht. In Maslacq, wo ich nach gut zwei Stunden eintreffe, sehe ich Maria, die vor mir losgelaufen ist. Sie erzählt, dass sie in Coburg geboren ist und Oberfranken immer wieder besucht. Sie macht gerade Rast und ich schließe mich ihr an. Die Sonne bricht jetzt durch den Dunst, die kühle Zeit ist zu Ende. Wir laufen zusammen weiter und unterhalten uns übers Pilgern und eventuelle Pläne. Maria ist schon in Tibet gewesen und würde gern die Pilgerreise um den Kailash machen. Da werde ich natürlich hellhörig. Das wäre der Gipfel eines Traums! Am Ufer des Pau de Gave will sie Pause machen, ich laufe alleine weiter.
    Bisher ging es so gut, dass ich hoffe, die Strecke bis Navarrenx zu schaffen. Es wird heißer und hügeliger. Jetzt gibt es fast nur noch Weiden, keine Felder mehr. Mehr und mehr schiebt sich auch Gehölz dazwischen, leider nur selten so direkt am Weg, dass es Schatten gibt. Um ein Uhr erreiche ich Sauvelade, eine ehemalige Benediktiner- und Zisterzienserabtei. Die Kirche hat die Schlichtheit der Zisterzienser und beeindruckt mich durch ihre Form, die eines griechischen Kreuzes, mit gleich langem Haupt- und Querschiff. Der Gite mit Gaststätte ist gleich um die Ecke und ich will die heutige zeitliche Halbzeit der Pilgerreise mit einem Bier begießen. Ich sitze noch nicht lange, da kommt Maria, deren Etappe hier zu Ende geht. Wir unterhalten uns über unsere Erfahrungen auf dem Weg und verabschieden uns. Sie schenkt mir zum Abschied ein Herz aus rotem Papier, ich ihr einen Zettel mit einem kleinen Gedicht über den Jakobsweg.
     
    Erst nach zwei Stunden Rast breche ich auf, noch immer ist es sehr heiß und nach Navarrenx sind es noch 13 Kilometer. Wieder geht es auf und ab, vor Navarrenx sogar länger durch einen Wald. Trotzdem, die Hitze macht mir zu schaffen. Ich schwitze und schwitze und schwitze. Endlich erreiche ich Meritain, von dort sind es noch eineinhalb Kilometer. In der Kirche finde ich freundlichen Zuspruch. Alfred hat sich im Buch der Kirche verewigt und wünscht allen Lahmenden und allen Rauchenden Kraft fürs Weitermachen. Nach einer knappen halben Stunde ist Navarrenx erreicht. Ich mache mir die Entscheidung einfach. Taucht der Campingplatz zuerst auf, gehe ich dorthin, sonst in den Gite. Dieser ist auffällig ausgeschildert, der Campingplatz hat keine

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