Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
er hinzu.
Doch die freundlichen Worte des Direktors konnten Lukas nicht trösten.
Auch Marius Leander, der sofort nach Ravenstein zurückgekehrt war, als er von Lauras Zustand erfuhr, machte seinem Sohn keine Vorwürfe. Gemeinsam bangten sie um Lauras Leben und wechselten sich an ihrem Krankenbett ab. Und selbst Sayelle zeigte sich so besorgt um das Wohl ihrer Stieftochter, dass das Misstrauen, das der Junge ihr gegenüber hegte, schwand. Der Stiefmutter schien wirklich etwas an Lauras Genesung zu liegen, denn sie verbrachte ihre knapp bemessene freie Zeit an deren Bett.
Erst nach zwei Wochen erlangte das Mädchen endlich das Bewusstsein wieder. Allerdings war Laura sehr geschwächt und musste deshalb zur Beobachtung noch in der Klinik bleiben. Dennoch versicherten die Ärzte, dass sie den rätselhaften Komazustand ohne einen gesundheitlichen Schaden überstehen würde. Eigenartigerweise konnte Laura sich an nichts erinnern. Als Lukas sie behutsam fragte, was sie auf ihrer Traumreise erlebt hätte, blickte sie ihn verwundert an.
»Auf welcher Traumreise denn?«, fragte sie. »Ich weiß nicht, wovon du redest!«
Lukas antwortete nicht, um seine Enttäuschung zu verbergen. Hauptsache, Laura wurde gesund – vielleicht würde ihre Erinnerung eines Tages von allein zurückkehren.
Allmählich fand er seinen Lebensmut wieder und machte sich erneut daran, den Vers aus dem Tagebuch zu entschlüsseln. In der Zeit, in der er um Lauras Leben gebangt hatte, hatte er dazu nicht die nötige Ruhe gehabt. Nun aber öffnete Lukas die Datei mit seinen Notizen und vertiefte sich erneut in den Reim, den seine Großmutter notiert hatte:
»Du musst versteh’n,
Aus Eins mach Zehn.
Und Zwei lass gehen,
Und Drei mach gleich…«
Lukas las den Spruch immer wieder, doch er schien einfach keinen Sinn zu ergeben. Es war doch nur eine Auflistung von Zahlen! Auch der Vergleich mit der Version aus Goethes Drama führte ihn nicht weiter. Miss Mary hatte die Vermutung des Jungen bestätigt, dass der Dichter genauere Kenntnisse über das Leben von Doktor Faust besessen hatte. Sie hielt es auch für möglich, dass Goethe der Vers vertraut war, der sich später im Nachlass des Alchimisten fand, und dass dieser die Vorlage für Goethes Hexen-Einmaleins geboten hatte. Doch dafür, dass der weltberühmte Dichterfürst von dem Haus auf der Teufelskuppe oder gar von dem Geheimnis in der Krypta des Mausoleums gewusst hätte, fand sich kein Anhaltspunkt. Da das Schauspiel Thema von Miss Marys Abschlussarbeit an der Universität gewesen war, wusste sie sehr viel darüber. Obwohl die zierliche Lehrerin Lukas nicht so weiterhelfen konnte, wie er es sich erhofft hatte, gab sie ihm dennoch einen wichtigen Tipp.
Sie erzählte ihm, dass einige Forscher im Hexen-Einmaleins eine Anleitung für ein magisches Quadrat sahen. Dies bestand aus dreimal drei Kästchen, in denen die Zahlen so angeordnet waren, dass man sowohl in den Quer- und Längsreihen als auch in den Diagonalen jeweils die gleiche Summe erhielt, wenn man die Zahlen addierte. Als sich Lukas in die Arbeiten der Forscher vertierte und den entsprechenden Lösungsvorschlägen folgte, entstand tatsächlich ein solches Quadrat: In den oberen drei Kästchen standen die Zahlen Zehn, Zwei und Drei. In der Reihe darunter die Null, die Sieben und die Acht, und in der letzten dann die Fünf, Sechs und Vier. Sosehr sich Lukas auch bemühte, enthielt das Quadrat dennoch einen Fehler: Die waagerechten und senkrechten Reihen ergaben jeweils die Summe fünfzehn, ebenso die Diagonale von rechts oben nach links unten. Die Diagonale von links oben nach rechts unten jedoch bildete mit der Summe einundzwanzig eine Ausnahme. Und damit war dieses Quadrat eben doch kein magisches!
Noch etwas fiel dem Jungen auf: Während ein echtes magisches Quadrat nur die Zahlen eins bis neun enthielt, gab es in dem Rechenspiel, das er nach dem Vers zusammengestellt hatte, auch die Zehn und die Null. Dafür fehlte sowohl die Eins als auch die Neun, die zusammengezählt ebenfalls zehn ergaben, sodass diese Zahlen nur indirekt in dem Quadrat enthalten waren.
Seltsam!
Typisch Dichter!, schoss es Lukas durch den Kopf. Die haben keine Ahnung von Mathematik oder Logik. Zumindest dieser Goethe verstand nicht das Geringste davon!
Noch eines stimmte den Jungen unzufrieden: In der gesamten Krypta hatte er nicht eine einzige Ziffer entdeckt. Wie also sollten die Zahlen dieses Quadrates, ob nun magisch oder nicht, die Tür
Weitere Kostenlose Bücher