Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Luft verpesten!«
Seit einigen Jahren?, wunderte sich Lukas. Ihm lag schon eine bissige Erwiderung auf der Zunge, als er sich daran erinnerte, dass die Fabeltiere schon seit Jahrhunderten existierten. Er ersparte sich also die Antwort und spähte ungeduldig in die Ferne, wo die Wolken immer undurchdringlicher wurden. Blitze zeichneten grell gezackte Muster an den Himmel, und immer lauter krachende Donnerschläge waren zu vernehmen.
Noch war die Teufelskuppe nicht in Sicht. Am liebsten hätte Lukas sein Reittier erneut zur Eile angetrieben, denn schließlich hatte Longolius einen gewaltigen Vorsprung. Allerdings wusste der Junge, wie launisch die beiden Fluglöwen waren. Da er es nicht riskieren wollte, Latus und Lateris zu verärgern, musste er sich gedulden und hoffen, dass sie nicht zu spät kommen würden.
Sonst war Laura mit Sicherheit verloren.
D icht über den wirbelnden Wolkenmassen schwebte Silberschwinge am nächtlichen Himmel von Aventerra dahin. Alienor saß auf seinem Rücken und spähte unruhig umher. Der Blick auf die Ebene von Calderan war ihr versperrt, und so bekam sie nichts von dem mit, was sich dort abspielte. Aber das war auch nicht wichtig. Pfeilschwinge, der Adler des Lichts, würde ihnen im rechten Moment das Signal zum Angriff geben.
Alienor konnte erkennen, dass sich in den obersten Wolkenschichten unzählige Blitzlinge und Donnerwommer tummelten. Ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit verhielten die kleinen Geschöpfe sich nahezu still. Sie bewegten die Fledermausflügel nur leicht und warteten auf ihren Einsatzbefehl.
Oberhalb des Sturmdrachen drehte ein großer Schwärm von Wolkentänzern seine Kreise. Das Gefieder ihrer Schwingen schimmerte im Licht der beiden Monde, die voll und prall am Himmel standen. Während der Menschenstern im tiefsten Blau erstrahlte, leuchtete der Goldmond in einem unheimlichen Rot, das fast so dunkel war wie Blut. Die Gestirne standen so nah beieinander, dass sie sich jeden Augenblick zu berühren schienen.
»Wie lange wird es noch dauern?«, fragte Alienor den Sturmdrachen.
Während der rechte Drachenkopf aufblickte, wandte sich * der linke zu dem Mädchen um. »Es kann sich nur noch um wenige Augenblicke handeln, bis sich der Menschenstern vor den Goldmond schiebt. Dann ist die Stunde gekommen, von der die alte Prophezeiung kündet!«
I n der Krypta war alles unverändert: Die fünf Fackeln spendeten zuckendes Licht, und die Sensenmänner standen reglos auf ihren Sockeln, als hätten sie ihren Platz noch nie verlassen. Auch wenn Laura diesen Anblick erwartet hatte, fröstelte sie unwillkürlich.
Es dauerte nicht lange, bis sie das Sensenblatt mit der richtigen Buchstabenkombination gefunden hatte: TAR. Die Tür lag genau gegenüber der Treppe.
Das Mädchen holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Rygani und die Skelette können mir nichts anhaben!, sagte sie sich immer wieder.
Sie stand schließlich unter dem Schutz des Ringes!
Was aber würde geschehen, wenn sie das Reich der Schatten zusammen mit ihrer Mutter wieder verlassen wollte? Würden die Sensenmänner auch Anna gehen lassen?
Laura wusste es nicht. Aber was auch immer passieren mochte, sie hatte für den Notfall vorgesorgt.
Sie betrachtete die eiserne Tür. Die Buchstabenkombination TAR wies den Weg zu Ryganis Reich – wenn Lukas sich nicht getäuscht hatte. Es gab nur eine Möglichkeit, das zu überprüfen: Sie musste die Tür öffnen!
Sie näherte sich dem Portal und presste den Ring der Feuerschlange in den Abdruck unter dem Türknauf.
Er passte haargenau!
Dann griff sie zum Offner und zog kräftig daran – doch nichts geschah! Das Portal bewegte sich nicht, sosehr sie auch an dem Knauf zog und zerrte.
Verdammt! Das gab es doch nicht!
»Was ist denn los?«
Laura zuckte zusammen, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich vernahm.
Zu Tode erschrocken, fuhr sie herum – und erblickte Maximilian Longolius am Fuß der Treppe. »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie.
Longolius’ Augen glitzerten im Licht der Fackeln. »Wir waren bei Tephilos, aber er öffnet nicht«, erklärte er und wies auf Saskia, die ihm gefolgt war und sich ängstlich in der Kammer umschaute. »Weil wir uns Sorgen gemacht haben, sind wir dir gefolgt.« Er deutete auf das Portal. »Das ist wohl die falsche Tür?«
»Sie öffnet sich nicht«, erklärte Laura. »Aber es muss trotzdem die richtige sein! Lukas hat sich bestimmt nicht geirrt.«
»Dann klemmt sie wahrscheinlich nur«, vermutete der Mann.
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