Lea - Untermieterin bei einem Vampir
Dieses unterschwellige Machowesen von Wolf behagte mir irgendwie. Es war schön, wenn einem die Verantwortung abgenommen wurde und ich mich anlehnen konnte.
„ Okay, dann fange ich mal an“, begann er unser Zweiergespräch. „Ich bin Colin, zweiundzwanzig, mache meine Ausbildung bei der Polizei und bin hier gerade verdeckt ermittelnd unterwegs, um zu kontrollieren, ob niemand Drogen nimmt.“ Er sah mich todernst an. Aber dann grinste er plötzlich heiter. „Außerdem spiele ich natürlich Volleyball mit Miles. Da kennen wir uns alle her; Ronny, Miles und ich.“
Wissen Sie, es ist verrückt, aber allein der Gedanke, dass Colin sonst eine scharfe Uniform, Handschellen und eine Knarre trug, Leute filzte und ihnen dabei mit der stahlharten Miene von eben ihre Rechte vorlas, machte mich ziemlich an. Er kletterte auf der Attraktivitätsskala ein paar Sprossen herauf. Es war nicht so, dass er die Leiter hinauf fiel. Aber unregelmäßige Arbeitszeiten hin oder her: Colin war einer dieser resoluten Männer, die für Recht und Ordnung sorgten und für mein Wohlergehen ihren knackigen Hintern riskierten. Da durfte ich wenigstens so dankbar sein und nicht über deren Schichtdienst jammern. Hinzu kam, dass Savannah, so sehr ich es auch liebte, eine vergleichsweise hohe Kriminalitätsrate aufwies.
Mir war egal, dass Colin zwei Jahre jünger als ich war, denn das hatte ich bisher nicht gemerkt. Vielleicht hing es mit der Ernsthaftigkeit und Härte seines Berufes zusammen, dass er dadurch reifer und bodenständiger wirkte. Plötzlich spielte es keine Rolle mehr, dass er nicht so viel Männlichkeit abstrahlte wie Wolf, denn der Gedanke, dass er mit mir behutsam umging und um meine Sicherheit besorgt war, gefiel mir ungemein gut. Jede Frau steht doch irgendwo auf den Beschützertyp. Ich war mir ziemlich sicher, dass Colin dieses Attribut erfüllte. Das erklärte seine umsichtige Frage eben, ob mit mir alles okay sei.
Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte, dass Colin einfach so wieder im Rennen war. Es erleichterte die Dinge nicht eben, dass ich nun prüfen musste, ob ich einen süßen Polizisten wirklich für einen tierischen Mann unbemerkt ließ. Kruzifix noch mal, da war ich seit über einem Jahr solo und suchte wie ein Trüffelschwein nach einem Mann, und plötzlich tanzten sich einfach so zwei tolle Exemplare in mein beschwipstes Leben und stellten mich vor die grausame Qual der Wahl.
Ich wurde des Eindrucks nicht müde, dass das Leben mich auf die Schippe nahm. Und ach, da war noch irgendwo Pinocchio unterwegs. Wer weiß, vielleicht war er Feuerwehrmann und rettete alte Frauen aus brennenden Häusern und kleine Katzenbabys von Bäumen. Es wäre eine passende Ironie, denn er war chronologisch in einer Tanzreihenfolge mit dem Polizisten und Tom, dem angehenden Mediziner. Lasst mich durch, ich bin Arzt. Das käme mir ein bisschen vor, als wäre ich auf einem skurrilen Ball der städtischen Bürgerdienste gelandet.
Ich lächelte Colin matt an. Doch sein freundliches Lächeln war so ansteckend, dass er meine Erschöpfung verdrängte. Seine hübschen braunen Augen waren warmherzig. Es war verrückt wie völlig anders als Wolf und dessen stahlblaue Augen er damit aussah. Ich erinnerte mich daran, wie wir uns unser halbes Date lang angestarrt hatten und Händchen hielten, während wir Sarah und Ronny belauschten und ich mich innerlich gekringelt hatte. Keine Frage, Colin war der weit weniger gefährliche Typ. Ich hatte nur ungenügende Informationen und Eindrücke von Wolf und Colin, um mich wirklich zwischen beiden entscheiden zu können. Mir wurde klar, dass ich Folgeverabredungen brauchen würde, um sie besser einschätzen zu können.
„Du trägst sonst also eine Knarre mit dir herum?“, fragte ich ihn neugierig.
„ Sicher. Gehört zur Grundausstattung“, erklärte er.
„ Hast du keine Angst, dass dir was passiert?“, wollte ich wissen.
Er atmete etwas durch und sah mich nachdenklich an.
„Weißt du Lea, natürlich habe ich auch Angst, wenn jemand eine Waffe auf mich oder einen anderen Menschen richtet. Aber ich werde dafür trainiert, trotz meiner Angst, einen kühlen Kopf zu bewahren, nicht gelähmt zu sein oder in Panik zu geraten, sondern zu versuchen, zu helfen und zu deeskalieren. Und auf jemanden wie dich, würde ich furchtbar gern aufpassen“, meinte er.
Doch er sah dabei ernst aus, das spielerische Zwinkern fehlte. Es waren die Worte eines Mannes, der jeden Tag erschossen werden
Weitere Kostenlose Bücher