Lea - Untermieterin bei einem Vampir
in Bezug auf Horrorfilme gemeint hatte, oder ob er nicht vielmehr auf mein Verhalten in Bezug auf uns anspielte.
Kapitel 6
Es musste Mittag sein, als mich das Telefon weckte. Es hallte lange durch die Wohnung, ohne dass Tom sich gemeldet hätte. So tapste ich aus dem Bett, blickte an mir hinunter und sah, dass ich noch bekleidet war. Zerknittert und zerknautscht fand ich meinen Weg zur Telefonstation und nahm verschlafen ab.
„Hallo?“
„ Guten Morgen, Leamäuschen“, begrüßte mich Sarah mit gurrendem Singsang in der Stimme. Sie war viel zu unverschämt wach.
„ Hey“, nuschelte ich träge.
„ Ich koche gerade leckeren Kakao und habe Madeleines im Ofen. Schwing deinen hübschen Hintern herüber.“
„ Jetzt?“
„ Bis gleich“, trällerte sie und legte auf.
Definitiv war sie viel zu wach und viel zu heiter. Beinahe etwas aufgekratzt. Ich stöhnte und schlug meine Hand gegen die Stirn, begann meine Schläfen zu malträtieren.
„Oh Mann“, seufzte ich.
Es war offensichtlich; Sarah hatte mit meinem Bruder geschlafen. Ich war eigentlich noch nicht fit genug, um mir nun ihr Geschnatter anzuhören, aber der Gedanke an süßes mit Puderzucker bestäubtes Gebäck und den vollmundigen Kakao mit dem winzigen Schuss Kokos- oder Vanillesirup, den Sarah dazuzugeben pflegte, lockte mich aus meinem Bau. Außerdem, das musste ich zugeben, war ich irgendwie neugierig, wie der Abend verlaufen war, nachdem die beiden aus der Tür heraus waren. Oder eigentlich schon, was sie einander zugetuschelt hatten, als sie noch bei uns saßen. Ach verdammt, hier ging es um meine beste Freundin und meinen einzigen Bruder. Kaum hatte mir Sarah gestanden, dass sie ihn wollte, war sie offensichtlich zu seiner festen Freundin geworden. In der Geschwindigkeit einem Orkan gleich, waren die Ereignisse herein gestürzt. Sarah war eben zielstrebig und sicher, in dem was sie begehrte.
Ich schlich ins Bad und machte mich mit einer kühlen Dusche frisch. Anschließend suchte ich meine gemütlichen, aber knappen Nickishorts aus dem Schrank und schlüpfte noch dazu in ein brombeerfarbenes Tanktop, das in goldenen Lettern verriet, dass ich der Star der Discoszene war. Mir war nach kirschrotem Lipglosse und so fand ich mich schließlich nach nur zwanzig Minuten frisch zu Recht gemacht vor dem Spiegel im Flur wieder.
„ Tom?“, rief ich.
War er etwa noch verschlafener als ich, oder saß er im Arbeitszimmer und brütete? Ich stromerte durch die Wohnung, fand jeden Raum verlassen vor und hielt schließlich vor seiner Tür inne. Ich klopfte dagegen, doch keine Antwort kam. Zögerlich drückte ich die Klinke herunter und warf einen Blick in das sonnendurchflutete Zimmer. Das Bett war frisch aufgeschlagen, der Raum leer.
Wo war eigentlich Tom? Nirgendwo kündete auch nur eine Notiz von seinem Verbleib. Ich zuckte mit den Achseln und machte auf dem Absatz kehrt. Ich wollte gerade aufbrechen, als das Telefon erneut klingelte. Ich wähnte schon Sarah am Apparat, als mich eine männliche Stimme überraschte.
„ Hey Lea, hier ist Colin“, begrüßte er mich.
Ich ließ mich an Ort und Stelle im Schneidersitz auf dem Boden nieder und lehnte mit dem Rücken gegen die Wand.
„Hey Colin. Das ist ja nett, dass du anrufst. Ich habe an dich gedacht.“
„ Gerade eben?“, fragte er erfreut.
„ Ähm nein, gerade eben wollte ich zur Tür hinaus und Sarah besuchen. Aber in den letzten Tagen.“
Tatsächlich, es war inzwischen Mittwoch. Sonntag hatte ich ihn zuletzt gesehen. Drei Tage waren wohl eine gute Zeitspanne, um sich zu melden. Nicht zu aufdringlich verfrüht, nicht zu gedankenverloren verspätet.
„Ich habe auch sehr viel an dich gedacht, Lea“, sagte Colin aufrichtig.
Es klang vertraulich, zweisam, gefühlvoll und ja, sehnsüchtig. All das zugleich und es wärmte mein Herz, auch wenn es noch nicht sehr intensiv war. Aber es würde, es könnte intensiv werden. Ich telefonierte gerade mit meinem sehr wahrscheinlich festen Freund in spe.
„ Wie geht es dir so?“, fragte ich ihn.
„ Es ist sehr stressig.“ Er klang zerknirscht und erschlagen. „Deshalb rufe ich auch an. Ich werde die ganze Woche keine Zeit haben, mich mit dir zu treffen. Frühestens Sonntag. Aber da würde ich mich noch einmal bei dir melden. Bloß glaub mir, ich würde irrsinnig gern. Bitte sei mir nicht böse“, bat er mich.
Ich lächelte, wenngleich ich über die Neuigkeit etwas bekümmert war. Doch Colin und mir blieb schließlich noch alle Zeit der Welt,
Weitere Kostenlose Bücher