Lebenselixier
Durchgang sinken. Scheinbar gleichgültig wanderten seine
Augen über die Reihen. Rhens Kumpane gaben sich mit einem Opfer nicht
zufrieden.
Die Lampen gingen
aus und die Dunkelheit verbarg die Geschehnisse vor Tonys Augen. Doch das
Schlimmste schien ihr nicht einmal das rücksichtslose Vorgehen der Bluttrinker
zu sein. Was Tony den Rest gab, waren die keuchenden, quiekenden und gurrenden
Laute, die ihre Opfer von sich gaben. Die davon zeugten, dass diese Menschen
das, was mit ihnen geschah, auf einer rein physischen Ebene sogar genossen.
Sie realisierte zum ersten Mal, dass die körperlichen Wahrnehmungen dieser
Sterblichen sich von dem, was sie empfand, wenn Lukas von ihr trank, nicht
sonderlich unterscheiden mochten.
Für gewöhnlich führten Bluttrinker, die sich von ahnungslosen Wirten ernährten,
die Tatsache, dass ihre Opfer beim Trinken und dem zumeist gleichzeitig
stattfindenden Geschlechtsverkehr Lust verspürten, als entlastenden Umstand an.
Sie taten ihren Wirten schließlich nicht weh. Im Gegenteil, sie bereiteten
ihnen Genuss. Doch in diesem Augenblick sah Tony das ganz anders.
Ein Vergewaltigungsopfer wusste wenigstens, dass ihm Gewalt angetan wurde.
Diese Menschen erkannten den Missbrauch nicht einmal.
Und es war Missbrauch!
Danilos Augen
schienen in der Dunkelheit zu glühen. Er versuchte gar nicht zu verbergen, wie
seine Fangzähne wuchsen, während er seine Artgenossen mit gieriger Intensität
beobachtete.
Tony fühlte Ekel in sich aufsteigen. Wie sollte sie den Jungen, den sie bisher
gemocht hatte, mit diesem Raubtier in Einklang bringen?
Der Überfall der
Warlocks dauerte keine halbe Stunde. Der reguläre Film lief grade erst weiter,
als der Spuk so plötzlich endete, wie er begonnen hatte. Die Bluttrinker zogen sich
in Richtung Ausgang zurück. Die Sterblichen nahmen wieder ihre angestammten
Plätze ein. Die Menschen, die den Vampiren als Wirte gedient hatten, brachten
mit schockierender Selbstverständlichkeit ihre Kleidung in Ordnung. Die
Eisverkäufer verließen den Saal.
Rhen warf kontrollierende Blicke über die Reihen. Zweifellos vergewisserte er
sich, dass seine Leute ihre Spuren ausreichend verwischten. Er winkte Lukas zum
Abschied zu. Der hob ebenfalls den Arm, machte ein Daumen nach oben Zeichen.
Dann waren sie weg. Tony hörte Lukas tief ausatmen.
„Die Warlocks!
Das waren die Warlocks? Und du kennst den Anführer?“, fragte Danilo aufgeregt.
„Sind sie wirklich weg?“
Lukas lauschte in sich hinein, bevor er seiner Gefährtin antwortete. „Ja, sie
haben das Gebäude verlassen.“
Tony sank in sich zusammen. „Ich glaube, jetzt muss ich kotzen.“
„Woher kennst du den Typ?“, bohrte Danilo weiter.
„Das war Rhen O´Toole. Sein Vater stinkt vor Geld. Einer der reichsten
Bluttrinker auf dem Kontinent.“
„Und er ist der Anführer der Warlocks“, ergänzte der junge Vampir beeindruckt.
„Ich schätze, von Beruf Sohn zu sein, ist auf Dauer langweilig“, bemerkte
Lukas.
Tony versuchte, sich von Danilos Begeisterung abzulenken, indem sie sich der
Leinwand zuwandte. Doch als zwei der Filmvampire sich über ihr Opfer
hermachten, hob sich erneut ihr Magen. „Will eigentlich noch irgendjemand
diesen Film sehen?
„Tony geht
nervlich auf dem Zahnfleisch, also haben wir uns aus dem Staub gemacht“,
schloss Lukas seinen Bericht. Arne lehnte an der Rückseite einer Holzbank, die
unter einem ausladenden Ahorn in seinem Garten stand. Lukas spähte zu Tony und
Samantha hinüber. Die beiden Frauen saßen auf der Terrasse. Samantha zog seine
Gefährtin grade in eine tröstende Umarmung.
„Am schwierigsten
zu verdauen ist für sie, dass nichts geschehen ist, was gegen ein Gesetz
verstoßen würde. Gegen keins von unseren Gesetzen, jedenfalls.“
Arne nickte. „Die Warlocks bewegen sich an der Grenze der Legalität. Ihr
Anführer achtet sehr geschickt darauf, sie nicht zu überschreiten. Er nimmt nur
Jungs auf, die besonders talentiert sind. Deshalb gelingt es ihnen immer
wieder, den Schlamassel, den sie regelmäßig anrichten, in Ordnung zu bringen.
Was für eine Verschwendung! Aber Rhen scheint sich in der Rolle des
Nichtsnutzes zu gefallen. Ich hätte dran denken müssen, dass du ihn kennst. Er
ist nur ein paar Jahre älter als du, nicht?“
„Drei. Er gehörte zu den Älteren, als ich zu Jeremias kam. Er hat die Burg
nicht abgeschlossen, wie du wahrscheinlich weißt.“
Arne zog die Stirn in Falten. Seine Lippen bildeten einen schmalen Strich.
„Er hatte auch vorher ab und
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