Lebensstrahlen
entschlossen, diese Frist nach besten Kräften zu nutzen, und segnete den Zufall, der ihm das Schreiben in die Hände gespielt hatte.
Bruck war von neuem in einen tiefen Schlaf gefallen, aus dem Hartford ihn weder durch Anrufen noch durch Schütteln ermuntern konnte.
Sorgenvoll sah Hartford sich nach einer Hilfe um und war froh, als er von der Burg her Michelmann herabkommen sah.
Während er ihm zuwinkte, überlegte er, was er dem Alten sagen sollte, was er ihm sagen durfte.
»Hallo, Herr Michelmann!« rief er ihn an. »Herr Doktor Bruck hat einen Schwächeanfall! Ich vermute einen leichten Hitzschlag! Wollen Sie mir helfen, ihn hinauf in sein Zimmer zu bringen?«
Michelmann setzte seinen Werkzeugkasten ab.
»Wie ist denn das passiert?« fragte er.
»Herr Doktor Bruck fühlte sich im Wald plötzlich schwach und schwindlig«, log Hartford. »Es gelang mir gerade noch, ihn bis hier zur Bank zu bringen.«
»So? Im Wald, Herr Professor?« Merkwürdig, dachte der Alte bei sich. Ich habe die beiden Herren gar nicht über den Hof gehen sehen. Er schüttelte den Kopf und brummelte etwas Unverständliches vor sich hin. Hartford unterbrach ihn ungeduldig:
»Wir müssen den Herrn Doktor möglichst schnell in einen kühlen Raum bringen. Werden wir es zu zweit schaffen?«
»Nur schwer. Ich weiß etwas Besseres.«
Michelmann nahm ein Handbeil aus seinem Kasten und ging damit seitlich in den Wald. Hartford vernahm Beilschläge und hörte Stangenholz krachen. Schon nach kurzem kam Michelmann zurück und schleifte das Geäst, das er eben geschlagen hatte, hinter sich her. Schnell und geschickt nagelte er daraus eine Tragbahre zusammen, auf die sie nun den immer noch fest schlafenden Bruck betteten. So konnten sie ihn zu zweit ohne allzu große Mühe den Weg hinauftragen und brachten ihn mit einiger Anstrengung auch über die Treppen in sein Zimmer.
Hartford legte ihn auf das Bett und fing an, ihn zu entkleiden.
»Man müßte an den Arzt telefonieren«, schlug Michelmann vor.
»Es wird nicht nötig sein«, wehrte Hartford ab, wahrend er Bruck den Puls fühlte. »Ich bin selbst ein wenig Arzt. Ich fühle, das Herz schlägt voll und kräftig. Unser Patient braucht nur Ruhe und eine kühle Kompresse auf die Stirn.«
Während der Alte, der Weisung Hartfords folgend, am Waschbecken einen feuchten Umschlag fertigmachte, legte Hartford die Kleidungsstücke Brucks über einen Stuhl. In einer Tasche fühlte er dabei etwas Schweres, Hartes. Ohne daß Michelmann es sah, ließ Hartford es in seiner eigenen Tasche verschwinden. Es war der Schlüssel zu jener Kellertür, die in den unterirdischen Gang führte.
»So, mein lieber Herr Michelmann«, wandte er sich an den Alten, der mit der fertigen Kompresse ankam, »nun wollen wir unsern Patienten ruhen lassen. Ich gehe in mein Zimmer und werde von Zeit zu Zeit nach ihm sehen.«
»Gut, Herr Professor.« Michelmann nickte und verließ das Zimmer.
Noch immer saßen Eisenlohr und Braun bei ihrer Besprechung. Längst waren sie mit den Patentanmeldungen und Texten fertig, doch allzuviel anderes gab es noch, über das nun Beschlüsse gefaßt werden mußten. Grundlegende Fragen waren zu entscheiden; ein Arbeitsprogramm für die nächsten Monate mußte aufgestellt werden.
»Was ist das nächste, was geschehen soll?« fragte Braun.
Eisenlohr zeichnete mechanisch Arabesken auf einen Schreibblock, während er antwortete: »Ich denke daran, am Berghang, vielleicht in der Nähe unseres Teiches, ein Urmeer im kleinen anzulegen. Es wird Sommer und Winter auf einer gleichmäßig hohen Temperatur gehalten werden müssen. Man wird es wie ein Treibhaus mit Glas überdachen müssen. Das alles wird beträchtliche Summen erfordern, mehr Geld, als ich aus meinen laufenden Einkünften nehmen kann …«
Braun stutzte, als das Wort »Geld« fiel. Bisher hatte Eisenlohr zu ihm niemals über wirtschaftliche Fragen gesprochen.
»Was soll geschehen, Herr Doktor?« fragte er unsicher.
»Zuallererst und vor allen Dingen die Gründung einer großen Verwertungsgesellschaft für das Strahlpulver. Die Ideen unseres amerikanischen Kollegen waren nicht übel. Schon während er sie uns heute entwickelte, fiel mir auch ein passender Name dafür ein. Wie denken Sie über eine Radiating Powder Company?«
»Nicht schlecht, Herr Doktor. Der Name klingt! Aber warum wollen Sie in USA gründen? Ich meine, Deutschland läge uns näher.«
»Mann kann das eine tun, Herr Professor, und braucht das andere nicht zu lassen.
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