lebt gefaehrlich
einer herzlichen Begrüßung rechnen, Mrs. Pollifax. Ich bin vor zwanzig Minuten mit dem Hubschrauber eingetroffen, und habe die Leute vor Ihnen gewarnt. Sie wissen bereits, daß Sie Magda im Lastwagen versteckt halten und sie betäubt und geschlagen haben. Ich habe die Zigeuner zwar gewarnt. Sie zu ermorden, aber sie sind maßlos erbittert. Dagegen bin ich machtlos.«
Einen Augenblick glaubte Mrs. Pollifax, sie würde ohnmächtig, aber das wäre zu barmhe rzig gewesen. Sie verlor das Bewußtsein nicht. Was hatte er gesagt? Hubschrauber? Vor dem urzeitlichen Hintergrund von Himmel, Sternen und lodernden Lagerfeuern sah das nach schwarzer Magie aus.
»Das ist nicht wahr!« schrie sie den Zigeunern entgegen. Aber keiner reagierte. Die stumme Feindseligkeit blieb ungebrochen. Vor diesen anklagenden Blicken schwand ihr Selbstbewußtsein. »Er lügt!« verteidigte sie sich. »Ihr dürft ihm nicht glauben! Wir sind Magdas Freunde!«
Hinter ihr sagte Colin mit bebender Stimme: »Ich glaube nicht, daß sie englisch sprechen, Mrs. Pollifax.«
»Aber Türkisch müssen sie verstehen! Sandor - Mr. Ramsey übersetzen Sie. Sagen Sie ihnen die Wahrheit! Schnell!«
»Großer Gott, ja«, sagte Onkel Hu. Er trat einen Schritt vor und begann, türkisch zu sprechen. Er hatte mehrere Sätze gesagt, als Stefan gemächlich auf ihn zukam und ihm einen Fausthieb versetzte, daß er bewußtlos zu Boden fiel. Im selben Augenblick hörte Mrs. Pollifax rechts neben sich Sandor schnaufen. Er zog den Kopf ein und rannte weg.
Die Menschenmauer teilte sich. Die Männer nahmen in der Dunkelheit Sandors Verfolgung auf. Die Frauen schlossen den Kreis enger um Mrs. Pollifax. Vermutlich wollten sie verhindern, daß auch sie weglief.
»Nein, nein, nein!« rief Mrs. Pollifax. Ungeduldig stampfte sie auf.
»Versteht mich doch! Magda ist unsere Freundin! Dieser Mann lügt!«
Eine Frau spuckte verächtlich aus.
»Ihr müßt auf mich hören! Der Mann ist eine große Gefahr für uns alle!« sagte Mrs. Pollifax verzweifelt.
Ein halbes Dutzend Fraue n kletterten in den Laderaum des Lastwagens. Als sie Magda erblickten, schrien sie entsetzt auf. Dann trugen sie sie behutsam ins Freie und legten sie am anderen Lagerfeuer nieder. Dr. Belleaux folgte ihnen und sprach auf sie ein.
Offenbar machte er sie ausdrücklich auf jede Schramme und jeden blauen Fleck aufmerksam, um ihren Haß zu schüren.
Mrs. Pollifax sah Stefan an. Spöttisch erwiderte er ihren Blick. Colin beugte sich über seinen Onkel. Mrs. Pollifax überlegte, ob die Zigeuner Sandor wohl schon gefaßt hatten. Wie konnte sie den Zigeunern nur begreiflich machen, daß sie alle, Magda inbegriffen, sterben würden, wenn die Zigeuner nicht rasch handelten? Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis Magda wieder das Bewußtsein erlangte. Das wußte einzig Dr. Belleaux, und er schien ganz sicher zu sein, daß ihm von dieser Seite keine große Gefahr drohte.
Jetzt rief er Stefan etwas zu. Er sprach englisch. »Fesseln Sie sie!« rief er. »Wir können die Polizei vom Hubschrauber aus per Funk verständigen. Im Morgengrauen kann sie hier sein.«
Polizei - Morgengrauen. Was hatte er vor? Durfte Dr. Belleaux sich wirklich erlauben, die Polizei zu holen? Oder hatte er die Absicht, nicht mehr hier zu sein, wenn sie kam? Oder waren sie bis dahin alle längst tot? Bestimmt rechnete er damit, bis zum Morgengrauen im Besitz des Dokuments zu sein, das Magda den Kommunisten gestohlen hatte. Ob er auf das Vertrauen der Zigeuner hoffte, nachdem er sich als Magdas Beschützer aufgespielt hatte? Mrs. Pollifax war zu müde, um weiter nachzudenken.
Stefan führte sie an dem Lagerfeuer vorbei, wo Magda lag. Ein dunkler, kraushaariger Junge von ungefähr neun Jahren hockte im Türkensitz neben Magda. Eine Frau bestrich Magdas verletztes Gesicht mit Salbe. Die Frau sah auf, als Mrs. Pollifax vorbeiging, und zischte: »Baulo - moosh!«
Bestimmt war das ein Schimpfwort.
In einiger Entfernung von den Lagerfeuern wurden ihnen die noch bandagierten Hände neuerlich hinter den Rücken gebunden und dann an den Stamm eines Baums gefesselt. Von hier aus konnten sie weder den Lastwagen noch Onkel Hu sehen. Alles, was sie sahen, waren ein Wohnwagen der Zigeuner und ein Pferd, das dahinter graste. Sie sahen das Feuer und die in Decken gehüllte Magda, die Frau und den Jungen. Hinter diesem Lichtkreis ragten die fernen Berge scharf in den nächtlichen Himmel. Tiefe Stille über der Ebene.
Nur ab und zu säuselte der Wind, oder die
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