Leichtes Beben
anzugehören.
Es sah so aus, als sei Fitzeks Rat der richtige gewesen: Er war auf Liesbeth zugegangen, hatte zu Beginn des Urlaubs mit kleinen Aufmerksamkeiten um sie geworben und ihr bei einem Ausflug in die Umgebung nach San Viglio eine Perlenkette gekauft, die sie seither trug wie eine kleine Prinzessin.
Bis eines Abends, zu Beginn der zweiten Ferienwoche, ihr Handy klingelte, sie daraufhin flüsternd |222| vom Tisch aufstand und erst nach fast einer Viertelstunde mit sichtbar geröteten Wangen an ihren Platz zurückkehrte.
Sie hatten beschlossen, im Restaurant zu Abend zu essen. Die Jungs hatten darauf gedrängt, und Schindhelm, der bereits die ganzen letzten Tage freigiebig gewesen war, hatte sie zu einem der Uferrestaurants gefahren, wo man, auf einer Terrasse sitzend, einen herrlichen Blick auf den See hatte. Sogleich fing es in Schindhelms Ohren an zu rauschen.
Als er sie beim Zubettgehen mit flackernder Stimme auf den Anruf im Restaurant ansprach, wich sie ihm aus und sagte: »Ich bin unheimlich müde, Armin. Lass uns ein andermal darüber reden, ja.«
In dieser Nacht fand Schindhelm kaum Schlaf. Ruhelos drehte er sich von der einen auf die andere Seite. Und wenn er dabei zufällig gegen Liesbeths nacktes Bein stieß, erhitzte sich sein Gesicht. Und da, wo die letzten Tage ausnahmslos Frieden und Zuversicht geherrscht hatten, machte sich in Schindhelms Kopf wieder Hass breit. In seinem Schlund brannte eine Wut, als hätte er etwas zu Scharfes gegessen. Am liebsten hätte er Fitzek angerufen und sich bei ihm Hilfe geholt.
Jeder tiefe Atemzug Liesbeths schien ihm seine Schmach vor Augen zu führen, und jeder ihrer Träume verhöhnte ihn, da nicht er, sondern
der andere
darin vorkam. Doch er hatte keine Wahl: Er musste ihren Urlaub so störungsfrei wie möglich zu Ende bringen, was hinterher käme, würde man sehen. Und so versuchte er, die von Fitzek vorgeschlagene Rolle |223| des Nicht-aus-der-Ruhe-zu-Bringenden so gut wie möglich zu spielen.
Tatsächlich aber ertappte Schindhelm sich immer häufiger dabei, wie er
dem anderen
den Tod wünschte. Und als am übernächsten Tag kurz nach dem Abendessen erneut Liesbeths Handy klingelte, war es mit seiner Schauspielerei endgültig vorbei. Wutschnaubend drang Schindhelm ins Badezimmer ein, in das sie sich zum Telefonieren eingeschlossen hatte, indem er mit einem Messer den Riegel von außen öffnete, die Tür aufstieß und mit starrem Blick und zitternder Oberlippe rief: »Warum trittst du unsere Ehe mit Füßen? Warum nur? Was kann dir so ein Arsch bieten, was ich nicht habe?« Doch statt auf seine Worte zu reagieren, drückte seine Frau das Handy ans Ohr und flüsterte, indem sie sich leicht von Schindhelm wegdrehte: »Du, entschuldige, aber ich muss Schluss machen, ich rufe dich später an.«
Da riss Schindhelm ihr das Telefon aus der Hand und warf es mit aller Kraft auf den gefliesten Boden, sodass der Rückendeckel aufsprang und der Akku herausfiel und über den hellen Boden glitt. Dann warf er das Messer ins Waschbecken, drehte sich um und lief in die Küche, wo er sich die Weinflasche von der Anrichte griff, den Korken herausriss und die Flasche ansetzte. Im Augenwinkel sah er, dass die Jungs ins Badezimmer zu ihrer Mutter schlichen.
Als sie ein paar Tage später wieder im Autozug in Richtung Deutschland saßen, war die Stimmung immer noch gedrückt. Die Jungs hatten sich aus irgendeinem |224| Grund auf die Seite ihrer Mutter geschlagen. Und bei der Vorstellung, dass Liesbeth in Kürze zur Arbeit gehen und seinen Widersacher wiedersehen würde, zog sich ihm die Brust zusammen.
Als sie am frühen Abend zu Hause ankamen, trug Schindhelm wortlos die Koffer ins Haus und fuhr den Wagen in die Garage. Dann schloss er sich im Gästezimmer ein, wo er sich so lange an den Schnapsvorräten aus der Vitrine bediente, bis er vollkommen betrunken auf der Couch einschlief und erst weit nach Mitternacht erwachte. Mit hämmernden Schläfen starrte er ins Halbdunkel des kleinen Zimmers, in das er sich manchmal zurückzog, wenn Liesbeth Freundinnen zu Besuch hatte und er sich zwischen ihnen schon nach ein paar Minuten wie ein Störenfried vorkam.
Schindhelm hatte noch seine Sandalen an. Die Füße taten ihm weh, und hinter der Stirn fühlte er ein unangenehmes Pulsieren. Dann tat er etwas, das ihm selbst einigermaßen komisch vorkam, als er später wieder daran dachte: Er faltete die Hände vor der Brust und murmelte: »Lieber Gott! Mach, dass er aus unserem Leben
Weitere Kostenlose Bücher