Lenke meine Fuesse Herr
compris!“
Wilhelm kommt vorbeigegangen, ich bitte meine Gastgeber um Erlaubnis und rufe ihn herein. Nun gibt es Kirschen vom eigenen Baum und dann Kirschpfannkuchen — wie vor 45 Jahren bei Mutter! Ais wir uns verabschieden, hat Wilhelm einen Beutel mit Kirschen am Rucksack hängen.
Ach ja, vorher hatte ich mit Silvia telefoniert und ihr erzählt, dass ich vor einem Schild stand, das sagte, man sei hier genau südlich von Paris. Unglaublich, wie weit ich schon bin! Nun geht es nach Livinhac-le-Haut, über eine Brücke hinauf in den Ort. Eine französische Familie kommt heraufgeradelt: Mutter hat die schwarze Tochter im Tandemanhänger und Vater schleppt den Hänger mit dem Gepäck. Sie suchen etwas zu Essen, doch alles ist geschlossen, bis auf einen „Tabac“, wo sie eine Kleinigkeit für das Kind finden. Zum Ort hinaus in ein Wiesental, bis zu einem Bauernhof, wo ich im Gemäuer des Futtersilos raste und einen Happen esse, dann geht es einen steilen Weg hinauf in den Wald. Zwischen stacheldrahtumzäumten Wiesen und Weiden hindurch: Frankreich ist das Land des Stacheldrahts! Doch der wilde Fingerhut blüht wie bei uns der Löwenzahn.
Schließlich lande ich in Montredon. Schilder weisen zu einem Chambre d’hôtes. Am Ortsausgang finde ich es, schön, mit einem alten ummauerten Brunnen vor der Tür — doch augenscheinlich ist niemand da! Ich will schon enttäuscht weitergehen, da komme ich auf die Idee, anzurufen: Madame ist im Haus, hatte mich nur nicht klopfen gehört. Ich buche Halbpension — eine Deutsche wird noch erwartet; ihr Gepäck wurde schon vorbeigebracht. Während ich dusche und Wäsche wasche, kommt sie: die weißhaarige Tübingerin Ingrid, die ich schon von Conques her kenne. Es regnet — wäre ich heute Nacht draußen, hätte ich jetzt wohl ein kleines Problem!
Mittwoch, 16. Juni 2006
Montredon – La Cassagnole 29 km
Ich bin früh auf den Beinen, frühstücke noch mit Ingrid, gehe aber vor ihr los. Es ist schön, in der Morgenfrische zu gehen — und es ist schön, alleine zu gehen! Ich schicke eine SMS an meine Tochter Eva, die heute Examen hat, wünsche ihr Glück, und sie antwortet sofort. Sainte-Madeleine in Girande — uralte, wunderschöne Fresken, kein Altar, keine Bänke, doch ein herrlicher Raum!
Durch Viehweiden, an einem alten Sportflugplatz vorbei — die Wege sind feucht, aber nicht schlammig, und ich erkenne immer wieder die gleichen frischen Spuren eines Wanderers vor mir. Gerhard?! Ich komme an eine Straße, der markierte Weg folgt ihr in weitem Bogen, doch da ist ein verwitterter Holzwegweiser, der in einen heckenumsäumten Fußweg weist: Saint-Felix. Da gehe ich lieber als auf der Straße! Der Pfad ist wild, fast zugewachsen, doch er führt mich schnurstracks über den Sportplatz zur Kirche. Die Reliefs über dem Eingang sind wirklich „putzig“.
Auf dem Rastplatz gegenüber sitzt eine Französin vor ihrem Déjeuner. Ich wünsche „Bon appetit“ und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie vorhat, ab Figeac nicht den GR 65, den offiziellen Jakobsweg, zu gehen, sondern den GR 651 bis Cahors: der sei kürzer und die Strecke schöner. Sie zeigt mir das auf der Karte und sie hat augenscheinlich Recht — vor allem geht es wohl nicht so schrecklich auf und ab. Als sie aufgebrochen ist, mache ich Brotzeit, fülle in der öffentlichen Toilette meine Wasserflaschen auf und schäkere ein bisschen mit einem netten kleinen Hund, der sehnsüchtig, aber erfolglos, meine Wurst und meinen Ziegenkäse anhimmelt. Bald habe ich die Französin wieder überholt, wir grüßen uns noch mal freundlich. Es gibt laut Führer eine Abkürzung, die Figeac umgeht und den Ab- und anschließenden Wiederaufstieg ins Tal des Célé vermeidet. Doch ich suche ein Sportgeschäft, ich möchte mir einen Bivibag, einen wasserdichten Überschlafsack kaufen, um auch bei etwas nässerem Wetter draußen schlafen zu können.
Die Landschaft hat sich verändert: Steinmauern säumen den Weg, halbverfallene „cazelles“, trocken gemauerte, trulliähnliche Steinhütten, Jurakalk. Der Weg führt hinab ins Tal und in den Ort. Ich laufe auf ein Bikerpärchen auf, die einen Orientierungshalt machen und in bestem Münchnerisch streiten, wo es denn jetzt weiterginge. Sie sind ganz erschrocken, als ich ihnen auf gut bayerisch „Grüß Gott“ wünsche und können kaum glauben, dass ich den ganzen Weg hierher zu Fuß gekommen bin.
Auf der Terrasse eines Restaurants am Fluss trinke ich zwei große
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