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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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hatte, er war ein Ass. Ein echter Könner. Und wenn er sich in meiner Wohnung umgesehen hätte, wären ihm zweifellos weder meine kleine Rücklage entgangen noch das, was ich unter den Bodenbrettern versteckt hielt. Ich hatte allerdings das Gefühl, es nicht mit gewöhnlichen Einbrechern zu tun zu haben, und solange Mrs. White zu Hause war, machte sie es auf jeden Fall ziemlich schwierig, unbemerkt in meine Wohnung zu kommen und sie wieder zu verlassen.
    Ich versuchte, nicht mehr an die McGaherns zu denken, und konzentrierte mich auf den Vermisstenfall, an dem ich eigentlich arbeitete. Aufträge dieser Art waren wichtig für mich: ein legitimer Klient, der eine Rechnung wollte und nach Quittungen fragte, bedeutete für mich, dass ich Unterlagen bekam, die ich bedenkenlos dem Steuerprüfer vorlegen konnte. Wenigstens fünfzig Prozent meiner Klienten wollten dem Finanzamt auf keinen Fall zur Last fallen, und ich muss gestehen, dass auch ich besser schlief, wenn ich keinem überarbeiteten Finanzbeamten unnötige Mühen bereiten musste.
    Der Fall, mit dem ich die letzte Woche verbracht hatte, betraf die vermisste Frau eines Glasgower Geschäftsmanns. Sie war jung, hübsch und lebhaft; er selbst war in mittlerem Alter und mit dickem Bauch und schlechten Zähnen eindeutig keine Konkurrenz für Robert Taylor. Zweifellos hatten sich da zwei getroffen, die nicht zueinander passten, und was sie zusammenhielt, war das Geld; ich wusste, dass ich meinem Klienten wahrscheinlich nicht das Happy End bescheren konnte, auf das er hoffte.
    Ich beschloss, mich wieder ganz auf die vermisste Ehefrau zu konzentrieren. Wenn ich so tat, als gäbe es die McGahern-Geschichte nicht, löste sie sich vielleicht in Wohlgefallen auf. Ich rief den Ehemann, John Andrews, in seinem Büro an und verabredete mich mit ihm für sechs Uhr abends bei ihm zu Hause.
    Glasgow war eine hemdsärmelige Stadt. Hundert Jahre lang hatte ihr einziger Daseinszweck darin bestanden, dem Empire als Fabrik zu dienen. Hier war mit dem Kreischen von Metall und dem Dröhnen der Walzstraßen die industrielle Revolution auf die Welt gekommen. In dieser Stadt wurden Großbritanniens Handels- und Kriegsschiffe gefertigt. Hier setzte man die gewaltigen Maschinen zusammen, die das britische Weltreich in Gang hielten, und hier wurde auch der Brennstoff für diese Maschinen aus der Erde gehauen. Glasgow war eine Stadt, in der jeder Anspruch auf Vornehmheit falsch klang, wo die Villa des Moguls Schulter an schmutziger Schulter mit einer Mietskaserne stand. Bearsden lag im Norden der Stadt und verkleidete sich als Surrey, und doch war es nicht weiter vom heruntergekommenen, gewalttätigen Maryhill entfernt, als man seinen rußigen Speichel spucken konnte. John Andrews’ Haus stand ein Stück von der Straße zurückversetzt in einem großen Garten voller Bäume. Ich hatte nicht ganz verstanden, womit Andrews sein Geld verdiente; es war einer dieser Berufe, die mit einer vagen Verallgemeinerung abgetan wurden: »Irgendwas mit Import-Export.«
    Was immer Andrews tat, es zahlte sich aus. Ardbruach House, sein Wohnsitz, war eine dreistöckige viktorianische Villa, die ebenso sehr zum Protzen wie zum Wohnen errichtet worden war. Tatsächlich hatte ich Andrews nichts Neues mitzuteilen, vor allem, weil ich an dem Fall seit meinem Zusammenstoß mit Frankie McGahern keinen Finger mehr gerührt hatte.
    Am Telefon war mein Klient schroff gewesen. Er mochte es nicht, wenn ich in seinem Büro anrief, und ich musste jedes Mal als Code für seine Empfangsdame einen falschen Namen und eine falsche Firma angeben. Doch als ich nun an seinem Haus vorfuhr, erwartete er mich lächelnd vor der Tür. Sein Lächeln war von der Sorte, bei dem die Mundwinkel zittern, und kam mir ziemlich einstudiert vor.
    Andrews war ein Tönnchen von einem Mann mit weißlich-grauem Haar und einem Kehllappen aus Fett unter dem fliehenden Kinn. Im Knopfloch seines Sechzig-Guineen-Anzugs trug er eine frische Nelke. »Es tut mir leid, dass Sie sich umsonst herbemüht haben, Mr. Lennox. Ich konnte Sie telefonisch nicht mehr erreichen. Das Geheimnis ist gelüftet!« Er zuckte heftig mit den schmalen Schultern; die Gebärde war genauso unecht wie sein Lächeln. Mir gefiel die Sache nicht. Dabei hätte ich nach dem Zwischenspiel mit den McGaherns etwas Unkompliziertes zu schätzen gewusst.
    »Stimmt was nicht, Mr. Andrews?«
    »Was soll nicht stimmen?« Er lachte, schaute mir aber nicht in die Augen. »Ganz im Gegenteil. Ich

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