Leo Berlin
Arbeit zu tun,
die Aussage der Nachbarin, die mir den Vorfall gemeldet hat, aufzunehmen
und den Mann mit aufs Präsidium zu nehmen.«
»Und Sie, Herr
Kommissar, brauchen mir nicht zu sagen, wie ich meine Arbeit zu tun habe.«
Er warf einen beiläufigen Blick auf die modernen Drucke an den Wänden
und die alten Möbel und verzog den Mund.
»Wie kommt es
eigentlich, dass nicht wie üblich ein Kommissar herausgeschickt
wurde?«, versetzte Leo.
Von Malchow wurde blass um
den Mund, sah aber die erstaunten Blicke der Kriminalassistenten, und
knurrte nur: »Zum Schlafzimmer, bitte.« Unterwegs zischte er:
»Kein guter Stall, das lässt sich eben nicht leugnen.«
Leo schaute ihn verächtlich
an und schloss die Tür auf. Matussek hockte vornübergebeugt auf
dem Bett und rührte sich nicht von der Stelle. Leo spürte einen
leichten Widerwillen, als er die kräftigen Hände auf seiner
Steppdecke sah. »Stehen Sie auf, Herr Matussek.«
Doch von Malchow hatte den
Mann schon am Arm gepackt und hochgerissen. Der Schuster wich unwillkürlich
zurück und sah den Beamten verängstigt an. »Ick vasteh det
nich, Sie sind ooch ’n Jeheimer, ick will nich mit –«
Von Malchow legte ihm
Handschellen an und schob ihn in den Flur hinaus. »Heller, Broch,
Sie lassen sich den Tatort zeigen, während ich die Zeugenaussage
aufnehme.« Er steuerte mitsamt dem Gefangenen auf die Wohnzimmertür
zu, doch Leo vertrat ihm den Weg.
»Sie können ihn
nicht mit ins Wohnzimmer nehmen.«
»Warum nicht?«
»Seine Tochter ist da
drin. Wenn sie wach wird, könnte sie einen Schock erleiden.«
»Unsinn. Im Übrigen
ist es Ihre Pflicht, den Beamten den Tatort zu zeigen.«
Leo wich nicht von der
Stelle. »Sie können die Aussage der Zeugin aufnehmen, danach
zeige ich Ihnen und einem Ihrer Männer den Tatort. Der andere kann
Matussek zum Wagen bringen. Das hier ist meine Wohnung, und ich dulde
nicht, dass der Gefangene mein Wohnzimmer betritt.«
Von Malchows Kiefer mahlten,
er überlegte kurz und stieß den Gefangenen zu Heller hinüber.
»Sie passen auf.« Dann zückte er seinen Notizblock und
verschwand im Wohnzimmer. Ilse hob fragend die Augenbrauen. Die Spannung
zwischen den Männern war deutlich spürbar gewesen.
Leo blieb im Raum, als von
Malchow Frau Hennigs Aussage aufnahm, und ärgerte sich über die
herablassende Art, mit der sein Kollege ihr begegnete. Irgendwann hörte
er Stimmen und ging zur Tür. Georg stand im Flur und rieb sich
schlaftrunken die Augen. »Ich hab was gehört, Vati.«
Verwundert schaute er die
beiden Kriminalbeamten und Matussek an. Leo legte ihm den Arm um die
Schulter und brachte ihn zurück in sein Zimmer. »Geh wieder
schlafen. Ich erzähl es dir morgen. Marie soll nicht aufwachen.«
Georg nickte und rollte sich
wieder unter der Decke zusammen.
Als er zurückkam, öffnete
Frau Hennig gerade die Wohnungstür. »Gute Nacht, Herr Wechsler.
Ich hoffe, Sie gehen bei der Arbeit freundlicher mit den Leuten um als der
da.«
Nachdem Leo mit den Kollegen
am Tatort gewesen war, kehrte er endlich in seine Wohnung zurück.
Viertel nach drei. Doch er konnte sich noch nicht hinlegen.
Ganz leise betrat er das
Kinderzimmer. Das schwache Licht der Straßenlaternen fiel durch die
Gardinen und zeichnete ein zartes Gittermuster auf die Dielen. Er schlich
auf Zehenspitzen über den bunten Flickenteppich und blieb vor Georgs
Bett stehen. Leo lächelte. Sein Sohn war wieder fest eingeschlafen,
die Decke lag quer über seinem Körper, so dass die Füße
unten herausguckten. Leo bückte sich und zog die Decke zurecht, dann
strich er Georg sanft übers Haar.
Er ging zu Maries kleinem
Bett, blieb einen Moment stehen und kniete sich dann hin. Natürlich
liebte er beide Kinder gleich, aber seine Tochter wirkte noch so klein und
verletzlich, ganz dem Schlaf hingegeben, als könnte nichts ihre Ruhe
stören. Er legte sein Gesicht ganz nah an ihres. Dann tat er etwas,
das ihm seltsam intim erschien. Er atmete ihren Atem ein, der unschuldig
roch, in dem er noch Spuren von Zahnpasta und Kakao wahrnahm. Sie rührte
sich nicht, und er kam sich beinahe wie ein Eindringling vor, als er sie
so im Schlaf beobachtete. Die Welt mit ihren Matusseks schien für
eine Weile ganz weit weg, eine schützende Hülle umgab ihn und
seine Tochter, und er wäre am liebsten die ganze Nacht so bei ihr
geblieben, nah und
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