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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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»Est!!!«? Die Winzerfamilie produziert Umbriens bekannteste DOC - und DOCG -Tropfen, allen voran den tiefroten Torgiano-Rubesco und den weißen Torre di Giano, und hält fest die Zügel in der Hand in dem Fünftausend-Seelen-Dörfchen südlich von Perugia. Neben dem Weingut mit zweihundert Hektar Rebfläche rund um Torgiano hat sich die Familie ein über die Grenzen Umbriens hinaus bekanntes Weinmuseum eingerichtet. Zwanzig Ausstellungsräume voller weinseliger Erinnerungen, von Winzergeräten bis hin zu antiken Weinamphoren, vom Wein in der Heilkunde bis zum Wein in der Mythologie. Am Ende folgt – gegen Extrabezahlung – die Weinprobe, natürlich von Lungarotti-Weinen. Und wenn die degustazione allzu intensiv ausfällt, dann kann man sich im Luxushotel Tre Vaselle erholen. Nicht schwer zu erraten, wem das Hotel gehört …
    Natalie John

Königin mit dreigezinktem Zepter
Annas schöne, schwere Arbeit in der Trattoria Pommidoro
    Anna mit der dreigezinkten Gabel in der Hand am Herd – o du herrliches Italien. »Schau her«, ruft Anna, hebt die Pfanne von der Flamme und schwenkt sie, dass die Speckstreifen im zischenden Fett umeinander torkeln. »Schweinebacke muss das sein, an der Luft getrocknet, nicht geräuchert, und kein Bauchspeck.« Nur Schweinebacke kommt in Frage, die aus den Abruzzen, die Aldo am Morgen draußen in Moricone aus dem Weinkeller geholt hat. Und diese Schweinebacke wird hier nicht auf Vorrat geschnitten, sondern saftig heruntergesäbelt bei jeder Bestellung, die die Schwiegersöhne aus der Außenwelt in die Küchenhitze rufen.
    Anna, gut gelaunt wie immer, ist dabei, die circa hundertsechzigtausendste Portion ihrer berühmten spaghetti alla carbonara zuzubereiten. Das Ei ist schon geschlagen, ein Ei aus dem eigenen Hühnerstall. Mit dem Sieb hebt sie die Spaghetti aus dem Wasser, lässt sie auf die Schweinebackenstreifen gleiten, rührt um, wirft Pfeffer darüber und mischt, die Pfanne frei in der Luft haltend, das Ei darunter. »Wichtig ist, dass es nicht gebacken wird.« Schaumig hat das Ei zu bleiben, rutschen soll die carbonara , wenn der Käse draufgerieben wird. »Man muss den richtigen Augenblick finden«, ruft Anna, blickt herüber, hebt die Gabel, lacht.
    Diese Gabel: drei lange Zinken hat sie, das ist wichtig, zweigezinkte Kochgabeln lehnt Anna ab. Und wenn der Herr Redakteur vom Linksblatt L’Unità , der da im dunklen Anzug und mit weißem Hut zur Küche hereinschaut und »Guten Tag, Königin« ruft, mit seiner Anrede nicht völlig daneben liegt, dann ist die dreigezinkte Gabel das Zepter, mit dem Königin Anna in dieser Küche im silbrigen Glanz der Stahlverkleidungen regiert. Draußen aber, über den Tischen, herrscht König Aldo, die gelbe Serviette geschultert, die Schürze vorgebunden, die Brille baumelt vor der Brust an einer Schnur.
    Einundsechzig Jahre alt sind Aldo Bravi und Anna Desideri, und seit ihrer Hochzeit vor vierzig Jahren spielt ihr Leben unter den Gewölben der Trattoria Pommidoro im touristenfernen Stadtteil San Lorenzo, der in Rom zwischen dem Hauptbahnhof und dem Zentralfriedhof liegt. Sie haben den Pommidoro, von Aldos Ahnen ererbt, zu einem Qualitätsbegriff römischer Traditionsküche gemacht. Man isst dort nicht nur ausgezeichnet zu normalen Preisen, sondern hat auch teil an einer bunt gemischten Gesellschaft, die als Netz von Freundschaften um die Wirtsfamilie geknüpft ist. Eine Schaubühne italienischer Lebensart tut sich auf an der von parkendem Blech beengten Piazza dei Sanniti – verheißungsvolles Ziel für eine Reportage-Expedition in das Innere eines Esslokals, von dem man sonst nur das Äußere und die Erzeugnisse wahrnimmt.
    Auf die Küche kommt es an, diesen Ort der unzählbaren Wiedergeburten, dessen Lebenshauch die Hitze ist. »Komm mal her«, ruft Anna und winkt. Auf dem Herd sind alle acht Gasflammen aufgedreht, vier für das ständig kochende Wasser der verschiedenen Nudelsorten, vier für die Saucen und das Fleisch. Tritt man hin zu diesem Arbeitsplatz, zuckt man zurück vor der schmerzenden Feuerglut. Anna erwehrt sich ihrer Anfechtungen, indem sie literweise Wasser trinkt und öfters einen scherzhaft abgetönten Seufzer der Beschwernis ausstößt. Aber könnte es nicht mehr sein als einer ihrer Scherze, dass ihr Gesicht so völlig faltenfrei geblieben sei, weil es so intensiv im fetten Dunst gebadet wird?
    Anna kocht im fröhlichen Bewusstsein, dass sie eine hohe Kunst ausübt. Hätte sonst der Chef einer Kochschule aus New York

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