Letzte Beichte
Kinderbett. Sie war so süß, die arme Kleine, und sie war so nass und fühlte sich so unwohl. Er war ihr großer Bruder, und er würde sich um sie kümmern. Er hob sie hoch, küsste sie auf die Stirn und schaute ihr in die hübschen kleinen Augen. Er hielt ihren Kopf hoch, wie man es ihm beigebracht hatte, und er wiegte sie sanft hin und her, als er nach unten in die Diele, durch die Küche und in den Hauswirtschaftsraum ging. Und er küsste sie noch einmal und lächelte sie ganz liebevoll an, denn sie war seine einzige kleine Schwester. Und als sie in der Trommel lag, gab er ihrem Näschen einen Stups und warf ihr einen Luftkuss zu. Und dann schloss er die Tür. Bald würde ihre Windel trocken sein, und Mami und Papi würden nicht aufstehen müssen, und morgen würden sie eine Flasche Pinot Grigio trinken und in der Küche tanzen und singen.
Draußen war es immer noch stockfinster, als Jeremy glaubte, dass die Windel trocken sei. Als er die Tür des Trockners öffnete, fiel sein bezauberndes Schwesterchen heraus und schlug dumpf auf dem Boden auf. Es hatte funktioniert. Die Windel war knochentrocken, und Bella war ganz still und mollig warm. Ohne diese Grimasse im Gesicht, die sie sonst immer zu ziehen schien. Er war froh, dass er hatte helfen können, und er nahm sie in die Arme, knuddelte sie sanft und küsste sie auf die Stirn. Und dann sah er, dass seine Mutter hinter ihm in der Tür stand.Seine schöne Mami stand hinter ihm, weiß wie ein Gespenst. Und dann schrie sie.
Und dann riss sie ihm seine Schwester aus den Armen.
Und dann rannte sie zum Telefon.
Und dann atmete sie mit ihrem großen Mund in Bellas Gesicht und sah nicht einmal Papi an, der auch so weiß wie ein Gespenst war.
Und dann schluchzte sie, schluchzte und hielt die kleine Bella. Mami und Papi kauerten beide über ihr. Sie wiegten sie und schluchzten und schrien » NEIIIIN !«
»Ihre Windel …«, setzte Jeremy vorsichtig an. Die Sirene draußen wurde immer lauter und hörte schließlich auf zu heulen.
Und das war der Moment, als seine Mutter ihm den Blick zuwarf, den sie ihm für den Rest seines Lebens zuwerfen würde. Langsam lösten sich ihre Augen von seiner hübschen kleinen Schwester, und ihre geballten Fäuste wanderten von ihren Oberschenkeln zu ihrer Taille, und sie starrte ihn mit Augen an, die voller Zorn und Hass waren. Aber sie waren auch voller Verwirrung, denn dieser Art von Zorn und Hass folgen normalerweise Taten. Doch diesmal blieben nur die Augen an ihm haften, und es folgten keine Taten.
Es folgten niemals welche.
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15
Oh Scheiße, ich hätte auf Chas hören sollen. Nicht genug damit, dass ich mich entschieden hatte, Amanda einen völlig überflüssigen Besuch abzustatten, ich hatte auch vergessen, einen imaginären Glaskegel heraufzubeschwören, um mich vor emotionaler Anteilnahme zu schützen. Als ich vom Nagelstudio zurück ins Büro fuhr, standen mir Tränen in den Augen, und ich sah kaum die Ayr Road.
Der arme Jeremy, dachte ich.
Die kleine Bella. Ich schüttelte den Kopf, und eine Träne kullerte herab.
Und Jeremys Eltern … Stell dir vor!
Ich hielt an, um mich zu beruhigen, denn ich wusste, dass ich für ein Treffen mit der Polizei meine fünf Sinne beisammenhaben müsse.
»Gut gemacht«, sagte Hilary, als ich ins Büro kam. »Wie ich höre, hast du dich bei der Fallbesprechung gut geschlagen. Ich werde dir Marney zur Überwachung zuweisen.«
»Kann ich darüber mit dir reden?« setzte ich an. Ich wollte sie fragen, ob ich unbedingt Pädophile überwachen müsse. Ich wollte sie davon überzeugen, dass sie mir Mörder, Drogendealer, Autodiebe geben solle. Egal wen, solange es keine pädophilen Sexualtäter waren.
»Klar«, sagte Hilary. »Wir setzen das Thema bei der nächsten Besprechung auf die Tagesordnung. Leider muss ich jetzt sofort nach Hause. Migräne.«
Ich hätte mir das vermutlich vor meiner Bewerbung überlegen sollen. Diese Burschen waren große Nummern in derStrafjustiz: hoher Bekanntheitsgrad, hohes Risiko. Und seit dem neuen Gesetz für Sexualdelikte entgingen nur sehr wenige einer Überwachung durch das Sozialamt – was zur Folge hatte, dass unsere Arbeitsgruppen sich vor Vergewaltigern, Exhibitionisten, Stalkern, Kinderschändern und so weiter kaum noch retten konnten. Es gab vermutlich keine Möglichkeit, ihnen völlig aus dem Weg zu gehen, auch dann nicht, wenn ich Hilary erzählte, warum ich mich dabei so unwohl fühlte. Oder fühlten sich alle so unwohl? Nicht nur die, die
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