Letzte Beichte
mit den bösartigen Hexen aus der Verwaltung, die sich weigerten, einem zu helfen, ganz gleich, wie schwierig das Nichthelfen im Vergleich zum Helfen sei. Mit meiner Vorgesetzten, die niemals da sei, sondern in den frühen Morgenstunden Nachrichten und Gutachten und Akten in meinem Postfach hinterließe und dann zu einer Scheiß-Fortbildung ausgerechnet über Fehlzeitenmanagement entschwinde. Mit meinen Klienten, die betrunken oder unhöflich seien und sich weigerten, den Befragungsraum zu verlassen, ehe man ihnen Geld oder eine Zigarette geschenkt habe. Mit meinem Kind, das ich diversen über die ganze Stadt verteilten Menschen zum Aufpassen überlassen müsse. Und dazu noch den Scheißstress, die Familienernährerin zu sein … Den mit meinem Freund, der Tag und Nacht weg sei und der Himmel weiß was mache – vielleicht sogar mit einer anderen vögele. Den, dass ich wieder rauche und schreckliche Kopfschmerzen hätte und nur einen Tag lang Zeit, um ein Gutachten über einen Mann zu schreiben, der einem anderen Mann ein Ohr abgebissen habe. Und ein niemals endender Haufen Weißwäsche …
»Aufhören!« schrie Danny.
Was für eine Erleichterung es war, dass ich aufhören sollte. Mein Gesicht war aus Luftmangel schon ganz rot angelaufen, aber ich hatte einfach nicht mehr von selbst aufhören können.
»Tief einatmen«, sagte Danny. »Dein Leben liegt nicht in Trümmern. Du bist müde, und du hattest Streit mit deinem Freund. Gib mir den Bericht. Den mache ich.« Er fügte noch hinzu: »Und geh nach Hause«, ehe er mein um Aufmerksamkeit heischendes Kündigungsschreiben zerriss.
An diesem Abend schafften Chas und ich unsere Probleme nicht aus der Welt, und wir führten auch nicht das Gespräch, das uns von anderen Paaren unterschied. Stattdessen verweigerten wir uns Liebe und Sex, und ich musste mir eingestehen, dass wir genauso wie alle anderen Paare waren. Mein hämisches Gefühl der Überlegenheit entbehrte jeder Grundlage.
Unsere Körperchemie hatte sich offenbar erschöpft – zwei Jahre waren wohl die Grenze. Es kribbelte nicht mehr, wenn wir aneinander dachten, und die Zeit, in der wir die kleinen Eigenheiten des anderen süß gefunden hatten, war auch vorbei.
Ich fand die Art, wie Chas sich manchmal an den Zehen herumpulte, nicht im Geringsten süß. Ebensowenig seine Angewohnheit, die ganze Nacht lang im Atelier zu arbeiten und sich zu weigern, mir seine Bilder zu zeigen. Ganz und gar nicht süß fand ich auch, dass er meinen Mach-Drei-Rasierer benutzte und keinen der drei, die ich eigens für ihn gekauft hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er immer nur Pizza machte und blind für überquellende Wäschekörbe war. Oder dass ich mich dumm fühlte, weil er immer so vernünftig war und andauernd recht hatte.
Es heißt, dass die Eigenschaft, durch die man sich zu jemandem hingezogen fühlt, genau diejenige ist, die einen auseinanderbringt. Ich hatte mich in Chas verliebt, weil er realistisch war, weil ihm egal war, was andere über ihn dachten, und weil er Menschen unabhängig von ihrem Aussehen und ihrem sozialen Hintergrund gut behandelte. Und genau das waranscheinend unser Problem, denn ich wollte nicht, dass er sich mit Billy Mullen abgab. Mir war deswegen unbehaglich zumute. Ich hatte ein ausgesprochen schlechtes Gefühl dabei.
Wir achteten darauf, dass Robbie von unserer Entfremdung nichts mitbekam. Ich badete ihn, Chas las ihm seine Gutenachtgeschichte vor, und beide lagen wir beim Schlafengehen ein paar Minuten lang neben ihm, jeder auf einer Seite, ehe wir uns zurückzogen und unseren stillen Streit fortsetzten.
Ich saß einsam in der Küche und aß mein thailändisches Mikrowellencurry. Dann machte ich den Abwasch, fegte und wischte den Boden, räumte das Badezimmer auf, hängte eine Maschine voller Wäsche zum Trocknen auf, füllte eine neue Ladung ein, legte die Kleider für den nächsten Tag heraus und steckte Videos in ihre Hüllen. Währenddessen erstellte ich im Kopf eine Liste all dieser Sachen und eine zweite mit den Sachen, die Chas gemacht hatte (nichts). Dann kam er ins Zimmer und verkündete: »Lass uns eine Party geben.«
»Bitte?«
»Lass uns am Freitag eine Party geben. Deine Eltern passen bestimmt gern auf Robbie auf.«
»Du hast nächste Woche Vernissage, Chas.«
»Ich muss mal ausspannen. Ich will was trinken und mich unterhalten, und ich will auf einer Party mit dir flirten und mich wieder jung fühlen.«
»Mir ist nicht nach einer Party zumute.«
Er wusste, dass ich
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