Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
Auslieferungslager einen Platten. Der Fahrer war etwa zwanzig Minuten mit dem Reifenwechsel beschäftigt. Ein Polizist aus Connecticut hat gerade direkt neben der Stelle, wo der Lkw liegenblieb, einen großen Berg Kohlendioxidschaum in den Büschen entdeckt.«
»Verdammt!« fluchte Percey und blickte unwillkürlich Richtung Turbine. »Und ich hab dieses Scheißding auch noch selbst eingebaut.«
Bell fragte: »Rhyme will wissen, wie es mit der Hitze aussieht. Ob die Bombe nicht dadurch in die Luft gehen könnte.«
»Einige Teile werden heiß, einige nicht. In der Umgebung des Feuerlöschers heizt es sich nicht so stark auf.«
Bell übermittelte die Information und sagte dann: »Er ruft Sie direkt an.«
Einen kurzen Augenblick später hörte sie im Funkgerät, wie ein
Unicom-Gespräch durchgestellt wurde. Es war Lincoln Rhyme. »Percey, können Sie mich hören?« »Laut und deutlich. Dieses Arschloch war ziemlich schnell, hm?« »Sieht so aus. Wieviel Flugzeit bleibt Ihnen noch?« »Etwa eine Stunde und vierzig Minuten.« »Also gut, können Sie von innen an die Turbine rankommen?« »Nein.« Wieder eine kurze Pause am anderen Ende. »Könnten Sie irgend
wie das ganze Triebwerk abkoppeln? Abschrauben oder so? Es
abwerfen?« »Nein, nicht von innen.« »Gibt es irgendeine Möglichkeit, daß Sie in der Luft auftanken?« »Auftanken? Nicht mit diesem Flugzeug.« Rhyme probierte es weiter. »Könnten Sie so hoch steigen, daß der
Bombenmechanismus gefriert?«
Das Tempo, in dem sein Gehirn arbeitete, faszinierte sie. Auf so etwas wäre sie nicht gekommen. »Vielleicht. Aber selbst wenn wir dann mit Volldampf runtergingen - ich rede hier von einem Sturzflug -, so würde das immer noch acht, neun Minuten dauern. Ich glaube nicht, daß die Bombenteile so lange gefroren bleiben würden. Und die Mach-Vibrationen würden die Maschine wahrscheinlich auseinanderreißen.«
Rhyme suchte weiter nach einer Lösung. »Okay, wie wäre es, wenn ein Flugzeug vor Ihnen fliegen und mit einem Seil ein paar Fallschirme herüberbefördern würde?«
Ihr erster Gedanke war, daß sie niemals ihr Flugzeug aufgeben würde. Aber ihre realistische Antwort -die, die sie auch ihm gab – lautete, daß es niemand überleben würde, bei der kritischen Geschwindigkeit eines Learjets und bei der Konstruktionsweise der Türen, Flügel und Turbinen aus der Maschine zu springen. Rhyme schwieg wieder für eine Weile. Brad schluckte und wischte sich die Hände an seiner akkurat gebügelten Hose ab. »Oh, Mann.«
Roland Bell wippte vor und zurück.
Es ist hoffnungslos, dachte sie und starrte in die graublaue Däm
merung hinaus.
»Lincoln?« fragte Percey. »Sind Sie noch da?«
Sie hörte seine Stimme. Er sprach mit jemandem in seinem Labor - oder seinem Schlafzimmer. In gereiztem Ton rief er: »Nicht diese Karte. Du weißt doch, welche ich meine. Was sollte ich denn mit dieser Karte anfangen? Nein, nein...«
Schweigen.
O Ed, dachte sie. Unsere Leben sind immer in parallelen Bahnen verlaufen. Vielleicht wird es uns im Tod ja genauso ergehen. Es tat ihr vor allem um Roland Bell leid. Der Gedanke, daß seine Kinder zu Waisen würden, war unerträglich.
Dann hörte sie Rhyme wieder. »Wie weit können Sie mit dem restlichen Benzin fliegen?«
»Bei den optimalsten und sparsamsten Einstellungen...?« Sie sah zu Brad herüber, der die Zahlen in einen Rechner tippte.
Er antwortete: »Wenn wir die richtige Höhe haben... vielleicht achthundert Meilen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Rhyme. »Können Sie es bis Denver schaffen?«
36. Stunde von 45
»Der Flughafen liegt 1578 Meter hoch. Das entspricht 5180 Fuß«, las Brad aus dem Airman's Guide of Denver International vor. »So hoch waren wir auch, als wir Chicago angeflogen sind, und da ist das verdammte Ding nicht explodiert.«
»Wie weit?« fragte Percey.
»Von unserer jetzigen Position aus sind es neunhundertzwei Meilen.«
Percey dachte sekundenlang nach, dann nickte sie. »Wir versuchen es. Geben Sie mir einen ungefähren Steuerkurs, damit ich schon mal eine Orientierung habe, bis wir das VOR-Funkfeuer empfangen.« Dann sprach sie ins Funkgerät. »Wir versuchen es, Lincoln. Mit dem Treibstoff wird es verdammt eng. Wir haben hier oben jetzt 'ne Menge zu tun. Ich rufe später wieder an.«
»Wir sind hier.«
Brad studierte die Karte und verglich sie mit dem Flugplan.
»Drehen Sie nach links, Kurs zwei sechs sechs.«
»Zwei sechs sechs«, wiederholte sie und rief dann ATC.
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