Leuchtende Sonne weites Land - Roman
annehmen?«
Jacqueline dachte kurz nach. Die Idee war verlockend, aber nicht durchführbar. »Alle meine Papiere sind auf meinen Ehenamen ausgestellt. Ich werde vorläufig einfach Miss Jacqueline Walters sein. Und sobald es geht, werde ich meinen Mädchennamen wieder annehmen.«
In diesem Moment fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Die drei Frauen erhoben sich und griffen nach ihrem Gepäck.
»Also dann, meine Damen, auf geht’s, unser neues Leben wartet!«, sagte Vera.
»Jawohl, auf geht’s!«, stimmte Tess fröhlich zu.
Jacqueline wünschte, sie könnte die heitere Zuversicht ihrer beiden Begleiterinnen teilen, aber sie konnte nicht vergessen, dass sie nur wenige Stunden zuvor noch eine ganz andere Vorstellung von ihrem neuen Leben gehabt hatte.
3
Da es keine Taxis am Bahnhof von Port Adelaide gab, machten sich die Frauen wohl oder übel zu Fuß auf zum Britannia Hotel in der Lipson Street, nachdem sie sich den Weg hatten beschreiben lassen. Er führte über die Commercial Road durch ein belebtes Geschäftsviertel mit etlichen Hotels und vielen Geschäften. Zum ersten Mal bekamen die drei einen Eindruck vom Stadtleben in Australien. Es gab so viel zu sehen, dass sie nicht viel miteinander sprachen. Sie staunten über die Namen der Läden, die andere Bezeichnungen hatten als bei ihnen in den usa , und über die Autos. Sie hatten noch nie zuvor einen Holden gesehen, aber dieses Fabrikat war in Australien offenbar sehr beliebt.
Vera fiel die saloppe Kleidung der Ureinwohner auf, die sich auch in Aussehen und Körperbau von den Schwarzen in Amerika unterschieden. Sie waren weder so groß noch so muskulös oder langbeinig, und die meisten gingen barfuß. Jacqueline fand, dass ihre Züge grobschlächtiger als die der amerikanischen Schwarzen waren, doch das sagte sie nicht laut.
Es war früher Nachmittag, als sie das Hotel erreichten. Die Sonne stach vom Himmel, und die Frauen, vor allem Vera und Tess mit ihrem schweren Gepäck, waren verschwitzt und erschöpft und durstig.
Jacqueline blieb vor dem Eingang stehen. »Hören Sie, ich finde das nicht richtig. Ich will Ihnen wirklich nicht zur Last fallen. Ich kann mir nicht einmal ein Zimmer in einer Absteige leisten, geschweige denn in einem guten Hotel wie diesem.« Es war ihr peinlich, das zuzugeben, aber es wäre ihr noch viel unangenehmer gewesen, wenn Vera und Tess für sie bezahlt hätten.
Das Britannia stand an einer Straßenecke – ein cremefarbenes, zweistöckiges Gebäude mit einem an zwei Seiten umlaufenden Balkon, braun abgesetzten Fenstern und dekorativen Ecksteinen. Auf einer Tafel am Eingang konnte man lesen, dass es am 3. Oktober 1850 eröffnet und nach einem Brand, der es völlig zerstört hatte, 1898 wieder aufgebaut worden war.
»Ihr seid beide wirklich nett zu mir gewesen, aber ich finde, ich sollte mir irgendwo eine billige Pension suchen«, fuhr Jacqueline fort.
»Machen Sie sich mal deswegen keine Gedanken«, versuchte Vera sie zu beruhigen. »Die Agentur, die uns die Überfahrt bezahlt hat, bezahlt auch für unsere Unterkunft. Sie fallen uns wirklich nicht zur Last.«
»Bestimmt nicht? Von den Kosten einmal abgesehen, möchte ich nicht, dass Sie meinetwegen enger zusammenrücken müssen.«
»Ursprünglich waren wir zu viert, aber zwei Frauen haben kalte Füße gekriegt und im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Die Agentur weiß das noch gar nicht, deshalb rechnet das Hotel mit vier Personen, und das heißt, es ist genug Platz für uns drei.«
Das beruhigte Jacqueline ein wenig. »Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar für alles«, sagte sie gerührt. Die Begegnung mit Vera und Tess war ein richtiger Glücksfall.
»Nichts zu danken«, entgegnete Vera. »Wir Frauen müssen doch zusammenhalten.«
Sie betraten das Hotel, meldeten sich an und gönnten sich dann im Salon erst einmal einen Drink, bevor sie zu ihrem Zimmer hinaufgingen. Es war groß, hatte vier Einzelbetten und war gemütlich eingerichtet. Auch das Bad auf der anderen Seite des Flurs war ziemlich geräumig und einigermaßen sauber, aber es sah aus, als wäre es seit dem Wiederaufbau des Hotels nicht mehr modernisiert worden. In der Wanne hätte ein halbes Dutzend Kinder Platz gehabt – was vermutlich auch schon vorgekommen war –, aber die Emaille am Wannenboden blätterte, und die Wasserhähne waren uralt. Vom Zimmer aus führte eine Tür auf den Balkon, auf dem einige Korbsessel standen. Weiße und pfirsichfarbene Geranien schmückten mit ihren Hängetrieben
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