Leuchtende Sonne weites Land - Roman
»Nein, nein, nichts dergleichen. Mr. Cavendish hat uns erklärt, dass wir zuerst nach Wilpena Station fahren werden, einer Schaffarm in den Flinders Ranges, wo wir ein paar Tage bleiben werden. Dort wird auch die erste Begegnung mit den Heiratskandidaten stattfinden.«
»Der Besitzer von Wilpena Station ist verwitwet und sucht anscheinend jemanden, der seinen Haushalt führt«, ergänzte Vera aufgeregt.
»Ich bin doch keine Haushälterin!«, erwiderte Jacqueline entgeistert. »Ich dachte, ich hätte gerade klargemacht, dass ich weder kochen noch putzen kann.«
»Das müssten Sie auch nicht, weil Mr. Cavendish angedeutet hat, dass es Angestellte dort gibt«, sagte Tess. »Ich glaube, der Farmer braucht jemanden, der die Bediensteten beaufsichtigt und dafür sorgt, dass alles reibungslos klappt. Er hat uns gefragt, ob wir jemanden wüssten, aber an Sie haben wir in dem Moment natürlich nicht gedacht.«
Jacqueline machte ein zweifelndes Gesicht. »Ich weiß nicht, ob ich auf einer abgelegenen Farm leben könnte. Ich bin ein Stadtmensch. Ich könnte mir gut vorstellen, in Adelaide zu wohnen, das einige hunderttausend Einwohner hat. Aber mitten im Busch? Ich weiß nicht recht.«
»Je mehr Menschen, desto mehr Mitbewerber um freie Stellen«, gab Tess zu bedenken.
»Es wird sicher nicht leicht sein, etwas Passendes zu finden«, räumte Jacqueline ein. »Aber eine einsame Farm ist nichts für mich. Dafür gehe ich viel zu gern einkaufen. Und ich brauche Abwechslung.«
»Es gibt auch Städte im Busch, nicht allzu weit von der Farm entfernt. Die beiden größeren heißen Hawker und Quorn. Blinman und Beltana sind kleiner. Da gibt es sicher auch Läden und Hotels.Wisst ihr, was? Warum gehen wir nicht nach unten und essen und trinken etwas? Dann lässt es sich besser plaudern.«
Jacqueline war einverstanden, und so gingen die drei Frauen in den Salon hinunter. Da es für das Abendessen noch zu früh war, bestellten sie Sandwiches und ein Bier-Limonade-Mischgetränk.
Nach dem Essen fühlte sich Jacqueline viel besser.
»Was wisst ihr eigentlich über eure zukünftigen Ehemänner?«, fragte sie neugierig.
»Nicht besonders viel«, gestand Vera. »Der eine heißt Tim Edwards, der andere Michael Rawnsley. Die beiden haben ebenfalls Schaffarmen – in der Nähe von Wilpena Station. Tims Farm heißt Arkaba und die von Michael Rawnsley Park.«
»Das ist alles, was ihr über sie wisst?« Jacqueline konnte es nicht fassen.
»Na ja, ich weiß auch, dass Michael fast fünfzig ist, nie verheiratet war, aber jetzt gern eine Familie gründen würde.« Vera senkte verlegen den Blick. Sie wusste, dass es für sie ein bisschen spät war, um noch an Kinder zu denken. Aber noch nicht zu spät, hoffte sie.
Jacqueline sah sie stirnrunzelnd an. »Haben Sie sich nie gefragt, wieso ein Mann in diesem Alter nie geheiratet hat?«
»Eigentlich nicht. Draußen auf dem Land gibt es zu wenig Frauen. Anscheinend ziehen die meisten Mädchen in die Städte, sobald sie alt genug sind, weil sie Arbeit suchen und etwas erleben wollen.«
»Das heißt, dass sich die wenigen verbliebenen Frauen die attraktiven Männer geangelt haben und nur die hässlichen übrig geblieben sind«, stellte Jacqueline fest.
Vera sah sie mit großen Augen an, musste dann aber lachen. »Ich stelle mir lieber vor, dass Michael einfach nur schüchtern ist.«
»Sie sind eine ausgesprochene Optimistin, wie mir scheint«, bemerkte Jacqueline.
»Im Gegensatz zu Ihnen. Aber nach allem, was Sie durchgemacht haben, kann ich das verstehen. Ich war früher auch so, dasliegt hinter mir. Ich habe mir vorgenommen, allem Neuen gegenüber aufgeschlossen zu sein.«
Jacqueline sah Tess an. »Und was wissen Sie über Ihren eventuellen Ehemann?«
»Ich trau mich fast nicht, es zu sagen«, entgegnete Tess mit gespielter Ängstlichkeit.
»Nur zu, du hast doch nichts zu verlieren«, ermutigte Vera sie.
»Also schön. Er ist zweiunddreißig und offenbar extrem zurückhaltend. Er hat nie auch nur eine Freundin gehabt.«
Jacqueline riss die Augen auf. »O mein Gott, Tess! Der Mann muss abgrundtief hässlich sein!«
Tess und Vera lachten, bis ihnen die Tränen kamen.
Jacqueline starrte die zwei Frauen ungläubig an. Als sie sich wieder beruhigt hatten, fragte sie: »Aber angenommen, die Männer sind euch unsympathisch? Was dann?« Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf, wie man einen völlig Unbekannten heiraten konnte.
»Dann heiraten wir sie natürlich nicht«, antwortete Tess.
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