Leuchtende Sonne weites Land - Roman
genannt werden. Die Tiere richteten sich auf und sahen dem Jeep neugierig nach. Mit ihrem graubraunen Fell waren die Kängurus zwischen den vereinzelten dürren Grasbüscheln, die sich an die ausgedorrte rote Erde klammerten, perfekt getarnt.
Auf einmal krachte das Heck des Jeeps in ein Schlagloch. Jacqueline wurde gegen die Seitenwand geworfen und stieß sich das Knie so fest an, dass sie vor Schmerz aufschrie. Sie war so wütend, dass sie nicht einmal aufgeblickt hätte, wenn eine Elefantenherde vorbeigezogen wäre. Tess achtete nicht auf sie, so fasziniert war sie von der Begegnung mit den fremdartigen Tieren.
Nicht lange danach bogen sie von der Straße in eine schier endlose Auffahrt ein. Der Jeep fuhr jetzt langsamer, und die Frauen konnten zwischen Bäumen hindurch auf einem riesigen Grundstück ein Haus und einige andere Gebäude ausmachen. Ein Drahtzaun umgab das Haupthaus und einen Garten, der mit seinen vertrockneten Sträuchern und dürren Bäumen in der staubigen Erde einen niederschmetternden Anblick bot. Ein Mann eilte aus dem Haus, gefolgt von zwei Hunden, die aufgeregt bellend den Jeep umkreisten.
»Willkommen auf Wilpena Station, meine Damen«, rief er.
Vera und Michael stiegen aus. Während Vera sich dem Farmer vorstellte, ging Michael nach hinten, um Jacqueline und Tess herunterzuhelfen. Er machte große Augen, als er die beiden völlig zerzausten, staubbedeckten Frauen erblickte.
Er hob zuerst Tess von der Ladefläche und wartete dann, bis Jacqueline sich aufgerappelt hatte. Ihr taten sämtliche Knochen weh, vor allem das Knie, das sie sich angeschlagen hatte. Ihr am Morgen noch seidig schimmerndes Haar, das sie hochgesteckt hatte, ähnelte einem vom Wind gebeutelten Vogelnest. Im Gesicht und auf Armen und Beinen hatte sie einen Sonnenbrand. Ihr himmelblaues Kleid mit den weißen Besätzen war vom roten Staub verschmutzt.
»Mussten Sie rasen wie ein Verrückter?«, fauchte Jacqueline, als sie zur Heckklappe humpelte.
Michael half ihr herunter und lud dann das Gepäck ab. Er sah Vera Hilfe suchend an. »Ich bin nicht gerast«, verteidigte er sich. Verglichen mit der Fahrt nach Port Augusta zum Bahnhof war er Schritttempo gefahren. »Die Straßen sind ein bisschen holprig hier draußen.«
»Ein bisschen holprig? Ich komme mir vor, als wäre ich in einen Tornado geraten!«
Jacqueline zupfte sich ärgerlich ein paar Strohhalme aus den Haaren und schaute sich dann um. Statt des grünen Rasens und der Blumenbeete, die sie erwartet hatte, sah sie rings um das Hausnichts als rote, staubige Erde. Nirgendwo auch nur ein einziger grüner Grashalm. Selbst die Bäume schienen mehr grau als grün.
»Das kann ja wohl nicht das Haus sein, das einmal Die Residenz genannt wurde, oder?«, brummte sie und merkte nicht einmal, wie taktlos ihre Bemerkung war.
Eine schmucklose Veranda lief rings um das Haus, einen einstöckigen Steinbau mit einem eisenverkleideten Dach. Hinter einem Zaun stand eine winzige Holzhütte und ein Stück dahinter ein großes Steingebäude. In der Ferne konnte man eine Koppel mit Pferden sehen sowie eine Schmiede. Der Schuppen dahinter schien vor noch nicht allzu langer Zeit errichtet worden zu sein. Jacqueline dachte an George Cavendishs Beschreibung der Farm und war maßlos enttäuscht. Idyllische Landschaft? Stattliches Anwesen? Darunter stellte sie sich etwas anderes vor. Es war ihr anzusehen, was sie dachte.
»Mr. Dulton«, sagte Vera nervös, »das ist Jacqueline Walters, Ihre neue Angestellte.«
»Ich habe erst heute Morgen erfahren, dass außer Ihnen beiden noch jemand kommen wird«, sagte Ben zurückhaltend.
Er war Ende fünfzig, hatte seine grauen Haare aber bereits mit vierzig Jahren bekommen. Cindy, seine verstorbene Frau, hatte ihn immer liebevoll ihren Silberfuchs genannt. Ihr zuliebe hatte er sich auch einen Bart wachsen lassen, der genauso silbergrau wie seine Haare war. Ben war nicht übermäßig groß, aber muskulös und kräftig.
»Willkommen auf Wilpena, Miss Walters«, sagte er und musterte Jacqueline, der das gar nicht recht war. Sie konnte sich vorstellen, wie verheerend sie nach der Fahrt aussah. Ben spürte, wie verstört sie war, und entschied, über ihre unhöfliche Bemerkung hinwegzusehen.
»Danke«, murmelte Jacqueline befangen. Sie fragte sich, wie Ben Dulton reagieren würde, falls sie von ihrem Vertrag zurückträte. Im Augenblick erwog sie das ernsthaft.
»Kommen Sie«, fuhr Ben fort. »Auf der Veranda warten Erfrischungen auf Sie. Sie
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